Gut gelaunt: Daimler-Chef Dieter Zetsche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Eröffnung des Prüf- und Technologiezentrums in Immendingen. Foto: dpa

Der Stuttgarter Autobauer Daimler eröffnet ein neues Forschungs- und Testzentrum in Immendingen (Kreis Tuttlingen) für rund 200 Millionen Euro. Warum die Kanzlerin darin auch ein Stück Wiedergutmachung sieht.

Immendingen - Nur noch ein paar Monate, dann wird der Mercedes mit Rettungsgassen-Assistent in den Autohäusern stehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich die Funktion am Mittwoch, bei der Eröffnung des neuen Daimler-Forschungszentrums in Immendingen (Kreis Tuttlingen), bei einer Fahrdemonstration angesehen. Mehr Menschenleben im Straßenverkehr zu bewahren, die Zahl von Toten drastisch zu reduzieren, gehört zu den großen Zukunftsversprechen der Autoindustrie und des von ihr forcierten Mobilitätswandels. Von einem Gegengewicht sprach die Bundeskanzlerin in Bezug auf die Diesel-Affäre in ihrer Eröffnungsrede, auch mit Blick auf die „Enttäuschungen in letzter Zeit“ und das „verloren gegangene Vertrauen“.

300 Mitarbeiter sollen hier arbeiten

Das 200 Millionen Euro teure Daimler Prüf- und Technologiezentrum in Immendingen ist für den Vorstandsvorsitzenden des Konzerns, Dieter Zetsche, ein großer Wurf. „Wir erfinden derzeit das Auto neu“, versprach er. Weniger Verkehrstote durch autonome Fahr- und Bremsfunktionen, weniger Abgase und die Abkehr von „starren Besitzmodellen“, all das sei mit dem Auto der Zukunft verbunden.

Mit der Eröffnung des Zentrums in Immendingen, rund 100 Kilometer von Sindelfingen entfernt, spart der Konzern Benzin und Ressourcen. 80 Prozent aller bisherigen Prüffahrten weltweit werde Daimler künftig im Kreis Tuttlingen absolvieren. Noch sind nicht alle Bauten auf dem einstigen Kasernengelände fertig, am Ende sollen 300 Menschen an der Prüfstrecke und in den Labors arbeiten. Dazu kommen Mitarbeiter von Zulieferern, die sich ebenfalls einmieten können. 170 Entwickler, heißt es, seien bereits da.

Per Bus ließ sich die Bundeskanzlerin über einen Teil der neuen Prüfstrecke chauffieren. Dort gibt es noch die klassische Steilkurve und die Schnellfahrstrecke. Zudem wurde ein kurviger Alpenpass nachgebaut und in einem nachgebildeten Stadtquartier meistern Neuentwicklungen selbstständig den Verkehr. In einem brandneuen Parkhaus erproben die Ingenieure das autonome Einparken der Fahrzeuge. Alles weist bereits in Richtung Elektrifizierung, Computerisierung, Lautlosig- und Geruchlosigkeit. Merkel machte klar, dass die Politik klare Erwartungen habe. Zwar habe die Automobilindustrie in der Vergangenheit immer wieder Innovationen zur Schonung von Mensch und Umwelt marktreif gemacht, doch die Erfolge seien durch die stetig wachsende Zahl von Fahrzeugen wieder „aufgesogen“ worden. Der Erhalt der „individuellen Freiheit“ könne künftig nicht mehr oberste politische Prämisse sein. So sei das Ziel, bis 2050 die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 80 Prozent zu reduzieren, nicht zu erreichen. Die Bundesregierung tue das ihre, bald gebe es an allen deutschen Autobahntankstellen Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge. So lange die Menschen Angst hätten, damit irgendwo „stehen zu bleiben“, gebe es keinen entscheidenden Fortschritt, sagte die Kanzlerin.

Feierstimmung angesichts des „Leuchtturm-Projekts“

Am Ende der Eröffnung herrschte dann noch vor allem Feierstimmung. Der CDU-Bundestagsfraktionsvorsitzende Volker Kauder nannte das Forschungszentrum einen „Leuchtturm“ und einen „Beweis dafür, dass große Projekte in unseren Land noch gehen“. Das war auch ein Lob an sich selbst; Tuttlingen gehört zu Kauders Wahlkreis. Dem Merkel-Vertrauten ist es ohne Zweifel mit zu verdanken, dass das Daimler-Zentrum in nur drei Jahren genehmigt worden war.

Der CDU-Innenminister und stellvertretende baden-württembergische Ministerpräsident Thomas Strobl versicherte Zetsche weiterhin eine enge Zusammenarbeit, lobte das „positive, ganz wichtige Bekenntnis des Unternehmens zum Technologiestandort Baden-Württemberg“. Dass der Konzern zum Ende dieses Jahres das Forschungszentrum in Ulm schließt, spielte am Mittwoch offiziell keine Rolle. Der Kampf der dortigen 250 Ingenieure und Wissenschaftler um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze scheint immer aussichtsloser zu werden, die Landesregierung macht sich deren Sache nicht zu eigen. Schon vor kurzem hatte die CDU-Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut dem Ulmer SPD-Landtagsabgeordneten Martin Rivoir auf dessen besorgte parlamentarische Anfrage mitgeteilt, sie sei sicher, die Ulmer Wissenschaftsstadt sei auch ohne Daimler stark genug.