In Merklingen entsteht ein neues Senioren- und Familienzentrum, das junge Generationen und älteren Menschen verbinden soll. Hinter der Einrichtung steckt eine Weiler Unternehmerin, die eigentlich aus der Luftfahrtbranche kommt.
Alles begann mit einer E-Mail: Am 23. Mai 2023 trudelte sie ein im Postfach des Weil der Städter Bürgermeisters Christian Walter. „Da stand groß drüber: Herzensangelegenheit“, erinnert sich der Schultes. Fünf Wochen später war die Absenderin der Mail, Rebecca Schwarz, zu Gast im Rathaus, das Herzensprojekt im Gepäck.
Heute, nicht mal zwei ganze Jahre später, ist aus jener ersten Mail eine riesige Baugrube geworden. Das große Loch im Boden klafft derzeit im Neubaugebiet Schwarzwaldstraße am Rande des Weiler Teilorts Merklingen, hier wird seit Ende des vergangenen Jahres kräftig gearbeitet, gerade wurde der Grundstein gelegt. Entstehen soll ein Senioren- und Familienzentrum – und zwar in privater Hand. Angeschoben hat das Rebecca Schwarz. Sie ist eigentlich Chefin einer Firma aus Althengstett, die in der Luftfahrtbranche tätig ist.
Der Denkanstoß kam wegen familiärer Gründe
Von der Tech-Firma zur Senioreneinrichtung: Das passt erstmal nicht zusammen. Das Projekt in Merklingen ist für die Unternehmerin aber besonders ein persönliches. Ein Vorfall in ihrer Familie hat einst den Anstoß gegeben, sich über das Altern Gedanken zu machen. „Ich habe erkannt, dass wir in der Altenpflege immer noch einen Notstand haben“, erklärt Rebecca Schwarz. „Es gibt junge Familien, die pflegebedürftige Eltern haben und das gar nicht alles alleine leisten können.“
Im Gespräch mit Seniorinnen und Senioren habe sie außerdem gemerkt: Einige haben Angst davor, in ein Heim zu ziehen. „Für sie fühlt sich das an wie der letzte Schritt im Leben“, sagt Schwarz. In ihrer Einrichtung sollen die Menschen aber nicht einfach nur die letzte Phase ihres Lebens über sich ergehen lassen. „Ich will, dass die letzten Jahre genauso wertvoll sind wie die davor.“ Dass das Gebäude inmitten eines Neubaugebiets mit jungen Familien liegt, soll also für Teilhabe sorgen, Kinder und Familienangehörige sollen in das Leben im Zentrum laut Konzept ebenso eingebunden werden.
Familie hat Wurzeln in Merklingen
Dass ihr Senioren- und Familienzentrum ausgerechnet in Merklingen entsteht, hat nicht nur mit einer glücklichen Fügung zu tun, die zur richtigen Zeit für einen geeigneten Bauplatz sorgte. Rebecca Schwarz und Ihre Familie kommen selbst aus Merklingen – Vater Helmut hatte hier, im heimischen Hobbyraum, in den 80er-Jahren den Grundstein für das Familienunternehmen gelegt.
Mit der Firma, Schwarz Aero, ist das Sozialprojekt von Tochter Rebecca derweil nicht nur in Sachen Ortswahl verbunden. Das Gebäude wird nach Angaben der Unternehmerin mit Spenden aus dem Umfeld von Familie und Firma errichtet. Steht das Gebäude einmal, soll sich das Zentrum aus dem Betrieb finanzieren. Dafür wurde eine gemeinnützige GmbH gegründet. Außerdem wolle man regelmäßig spenden, so Rebecca Schwarz.
Geplant ist an dem Standort im Neubaugebiet ein vierstöckiges Gebäude in Hanglage mit Tiefgarage, einem Sockelgeschoss und zwei Wohngeschossen. Auf beiden Etagen sollen jeweils sieben Seniorenzimmer entstehen, insgesamt soll es also 14 Betten geben. Die Bewohner versorgen sollen dann 10 bis 15 Mitarbeitende. Dass insbesondere die Pflege mit einem eklatanten Fachkräftemangel zu kämpfen hat, bereitet den Verantwortlichen aber nicht allzu viele Sorgen. Man wolle Anreize schaffen, sagt Yvonne Volz, die im Unternehmen stark in das Projekt eingebunden war. „Damit wir diejenigen anziehen, die zu uns passen.“ Das Konzept sieht ein entsprechend „angemessenes Gehalt“ und „gesunden Freizeitausgleich“ vor.
14 Seniorenzimmer sind geplant
Eine Eröffnung strebt Rebecca Schwarz bereits im Herbst des kommenden Jahres an. Bis dahin gibt es aber auch noch einiges zu erledigen, von der Errichtung des Gebäudes mal abgesehen. Denn die Gründung eines Seniorenzentrums ist eben nicht ganz so simpel wie die Gründung eines normalen Unternehmens. So manche Hürde gilt es noch zu überwinden – „gesetzliche Herausforderungen“, nennt es Rebecca Schwarz. „Aber dem stellen wir uns“, sagt sie. „Wir wachsen jeden Tag.“
Demografischer Wandel: Dringender Bedarf an Pflegeplätzen
Als hilfreichen Partner habe man die Stadtverwaltung an der Seite gehabt, lobt die Unternehmerin, habe gemeinsam einige Hürden umschifft – und dass, obwohl beim Thema Pflege eigentlich der Landkreis zuständig ist. Für die Stadt lohnt es sich wohl, auch hier herrscht in Sachen Unterbringung und Pflege von Senioren ein großer Druck. Man habe zwar mehrere etablierte Einrichtungen in der Stadt, so Bürgermeister Walter. Mit dem demografischen Wandel werden perspektivisch aber immer mehr Plätze nötig. Schon jetzt ist in einem Viertel aller Weiler Haushalte die jüngste Person über 65 Jahre alt – Tendenz steigend.
Eine schlechte Kapitalanlage ist eine Pflegeeinrichtung mit diesen Aussichten nicht. Dass Altenpflegeheime in privater Hand sind, ist nicht ungewöhnlich: Rund 40 Prozent aller Einrichtungen in Deutschland haben private Betreiber. Ein großer Teil dieser sind allerdings keine Familienbetriebe – sondern Investoren, die gleich mehrere solcher Heime betreiben und sich daraus eine entsprechende Rendite versprechen.