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Das Neue Schloss für Bürger öffnen – das möchte Kommunikationsexperte Johannes Milla.

Stuttgart Das Neue Schloss für die Bürger öffnen – das möchte der Kommunikationsexperte Johannes Milla. Als Akt der Bürgernähe soll die Landesregierung den Menschen den Prachtbau zurückgeben.

Herr Milla, was stört Sie am Neuen Schloss?
Am Neuen Schloss gar nichts. Mich stört aber, wie das Gebäude genutzt wird. Es ist die räumliche, visuelle und historische Mitte Stuttgarts wie auch Baden-Württembergs. Tausende von Menschen kommen daran vorbei, überall ist das Neue Schloss abgebildet – aber es ist öffentlich nicht zugänglich. In das Herz des Landes kann man nicht rein. Das ist so absurd wie ungewollt symbolisch.

Wer soll nun ins Neue Schloss hineindürfen und warum? Was soll darin geschehen?
Aus dem Neuen Schloss soll das Neue Bürgerschloss werden. Ein Ort, in dem internationale oder regionale Besucher oder Stuttgarter erfassen können: Hier ist Baden-Württemberg. Ein Ort der Vergewisserung und des Auffindens von Identität. Wenn Sie so wollen, ein Ort der Heimat. Aber auch ein Ort der politischen Bildung und des Bewusstseins. Hier ist die Verfassung des Landes ausgestellt und erläutert: Rechte, Grundrechte und Pflichten der Menschen. Es geht um Gemeinsinn und Solidarität – auch mit Menschen, die noch nicht einen deutschen Pass haben. Es wird z. B. ein Politiklabor für Schulklassen geben. Es soll aber auch Orte der Begegnung von Bürgern und Politikern geben – eine Schimpfecke und eine interaktive Tafel der Vorschläge. Symbolisch gesagt: Die Bürger schauen der Regierung bei der Arbeit zu und kontrollieren, ob auch geschafft wird. Zugegeben, eine zutiefst romantische Vision, aber genau deshalb notwendig.

Nur mit einem Treffpunkt für den Souverän und seine Vertreter füllt man das Schloss aber nicht mit Leben.
Nicht nur der Ministerpräsident zieht ins bauliche Herz des Landes, sondern auch das Beste, Neueste und Spannendste aus den Bereichen Kunst, Musik, Forschung, Medien, Wirtschaft, Sport. Es entsteht ein Ort des Ideendialogs. Es wird Säle geben, wo die Menschen, z. B. Kreative, Studenten, Schüler, Azubis, Forscher aus allen Branchen und Gebieten des Landes, ihre Ideen, Innovationen vorstellen – oder auch einfach eine große türkische oder griechische Hochzeit gefeiert wird. Es wird Werkstätten, Ateliers, Proberäume, Studios geben. Es geht um ständigen Wandel, alles soll sich immer wieder verändern. So wie das Land und dessen Menschen.

Wird das Schloss durchlässiger?
Im Moment wirkt das Schloss wie ein unüberwindlicher Riegel. Man wird vom Oberen Schlossgarten zum Karlsplatz die Schlossflügel durchqueren können und vom Ehrenhof hinüber direkt zum Landtag und dem Wilhelmspalais mit dem zukünftigen Stadtmuseum gehen.

Was schwebt Ihnen für den Ehrenhof vor, der abgesehen von gelegentlichen Konzerten als Parkplatz für Beamte vor sich hin dämmert?
Wenn Autos und Absperrungen weg sind und das Schloss geöffnet und durchlässig ist, wird sich der Ehrenhof von selbst mit Leben füllen. Ein paar Veranstaltungen könnten stattfinden – im Sommer könnte dort eine lange Tafel stehen, mit 44 Abschnitten, für jeden Landkreis einer. Oder ein Tanz in den Mai. Und im Winter dient der Ehrenhof als endlich schöne und würdige Eisbahn – ohne hässliche Buden, ohne Deko und Musik.

Vieles davon bietet die Innenstadt heute schon, Stichwort Sommerfest, Stichwort, Weindorf, Stichwort Einkaufnächte.
Ich bitte Sie! Das Schloss soll keine kommerzielle oder werbliche Eventisierung erfahren, darunter leidet der Schlossplatz schon mehr als genug.

Im Neuen Schloss sind das Finanz- und bald – nach dem Auszug des Kultusministeriums – das Wirtschaftsministerium des Landes untergebracht. Baden- Württemberg wird also – zu einem großen Teil – von hier aus regiert. Was ist daran schlecht, dass ein einstmals monarchischer Bau demokratisch genutzt wird?
Die nun schon 50 Jahre währende Aneignung des Schlosses durch Verwaltungsbeamte eines Ministeriums und deren Aktenordner ist keine demokratische Nutzung, sondern wurzelt in altem Privilegiendenken eines Behördenstaates. Klar möchte niemand, der einmal da drin ist, diese Büros in Bestlage und auch die Parkplätze hergeben. Doch die Beamten sind nicht Herren des Staates, sondern dessen Diener.

Der Versuch, das Schloss für alle zugänglich zu machen, ist bereits in den 1970er Jahren gescheitert. Warum sollte man sich jetzt für Ihre Idee erwärmen?
Die diversen Neubauten der Ministerien und deren derzeitige räumliche Umordnung und die geplanten Umzüge sind eine einmalige historische Chance, die Entscheidungen aus den 60er Jahren zu korrigieren, das Schloss in weiten Teilen wieder öffentlich zugänglich zu machen und das Schloss zu einem Ort der Begegnung von Menschen (Bürgern und Touristen) mit diesem Lande und mit Politik zu machen. Und zu einem Ort, in dem man spüren und erleben kann: Hier ist Baden-Württemberg – nicht nur als Verwaltungsbegriff, sondern als lebendige Gemeinschaft.