Thorsten Neumann und Elmar Mellert: nach Brot kommt Kunst Foto: Lg/A. Zweygarth

In einer ehemaligen Bäckerei im Stuttgarter Westen will die Palermo-Galerie der lokalen Kunstszene einheizen.

Stuttgart - Die letzten Brötchen sind schon vor einiger Zeit über den Ladentisch gegangen. Trotzdem, der Ofen ist noch lange nicht aus in der ehemaligen Bäckerei im Stuttgarter Westen. Drei Monate lang darf die Palermo-Galerie von hier aus der lokalen Kunstszene einheizen. „Dass wir einen Standort immer nur für begrenzte Zeit nutzen, ist unser Grundprinzip“, sagt Thorsten Neumann. Der 47-jährige Kulturwissenschaftler betreibt das temporäre Kunstprojekt gemeinsam mit dem vierzehn Jahre jüngeren Akademiestudenten Elmar Mellert. Gefunden hat das Duo seine neuen Räume mit Hilfe der kommunalen Wirtschaftsförderung.

Seit 2013 bereits existiert die Palermo-Galerie. Zuvor war sie schon in einem Rohbau am Killesberg, einer Bankfiliale an der Stiftskircheund einem ehemaligen Fachgeschäft für Musikinstrumentezu Gast. Nun also wird eine frühere Bäckerei zur Kulisse für das anspruchsvolle Programm des Off-Spaces.

Zum Einstand kooperiert Palermo mit „Arts of the Working Class“, einem internationalen Magazin für Kunst und Gesellschaftstheorie. „Die Zeitschrift“, erklärt Mellert, „ist in Museen und Kunstbuchhandlungen erhältlich, zusätzlich wird sie nach dem Vorbild von Straßenmagazinen wie Trott-war vertrieben.“ Das heißt, Wohnungslose bekommen unentgeltlich eine bestimmte Anzahl von Exemplaren und dürfen den Erlös aus dem Verkauf behalten. In der noch laufenden Eröffnungsschau sind aber nicht nur Ausgaben der Zeitschrift zu sehen, sondern auch künstlerische Arbeiten aus den Bereichen Video, Audio und Zeichnung. Zusätzlich gab es eine Leseperformance, die sich mit dem Zusammenhang von psychischen Krankheiten und Obdachlosigkeit beschäftigte.

Leuchtröhren pleitegegangener Firmen aus Athen

Zur nächsten Ausstellung (Eröffnung 22. März) erwarten die Palermo-Macher Iris Touliatou. Die griechische Künstlerin plant eine Installation mit Leuchtröhren, die aus pleitegegangenen Firmen in Athen stammen. Für den April hat sich der vor allem als Fotograf bekannte Peter Granser mit einer experimentellen Arbeit über autobiografisches Erinnern angekündigt.

Nichts mehr erinnert dagegen an die Vergangenheit des rund vierzig Quadratmeter großen Ladenlokals und seiner beiden Hinterzimmer. Keine Regale, keine Verkaufstheke, kein Brezel-Schild. Was Mellert und Neumann auch gar nicht stört. Leitgedanke ihrer Ausstellungen sei zwar von Anfang an die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Raum gewesen, jedoch im politisch-sozialen Sinne.

Konkrete Bezugnahmen auf die Geschichte des Ortes, etwa durch Werke rund um Brot oder Brötchen, sind für Neumann und Mellert nicht das Wichtigste. „Wir versuchen, künstlerisch formulierte Gesellschaftskritik in den öffentlichen Raum zu bringen.“ Das schließe die kritische Reflexion des eigenen Tuns mit ein: „Immer, wenn Palermo eine leerstehende Immobilie bespielt“, sagt Mellert, „drohen dem Haus oder sogar dem ganzen Viertel einschneidende soziale Veränderungen.“ Denn Zwischennutzung ist ein Effekt von Gentrifizierung. Das letzte Interimsquartier der Galerie, das Musikgeschäft an der Olgastraße, ist mittlerweile abgerissen. Dort entstehen Luxuswohnungen.

Eröffnungsschau bis 15. März, Schlossstr. 88, Do, Fr 17-19 Uhr