Für den Archäologen Sören Frommer (dritter von links) sind die Funde von überregionaler Bedeutung. Foto: Gemeinde Denkendorf

Einblicke in die Vergangenheit erlauben archäologische Funde auf der Baustelle eines neuen Pflegestifts beim Kloster Denkendorf. Schon einmal haben sich die Bauarbeiten verzögert, weil Eidechsen umgesiedelt werden mussten. Das ist dieses Mal nicht zu befürchten.

Denkendorf - Wir sind hier an einem sehr geschichtsträchtigen Ort“, sagt die zuständige Mittelalterarchäologin des Landesamtes für Denkmalpflege, Dorothee Brenner. Seit November wird auf der Baustelle zum Neubau eines Pflegestifts in Denkendorf (Kreis Esslingen), auf dem Gelände wo einst das Margarete-Blarer-Haus stand, nach den Spuren der Vergangenheit gegraben. Unter anderem wurde ein Kalkofen aus dem 12. oder 13. Jahrhundert entdeckt. Eine weitere Verzögerung des Baus werden die Grabungen nicht verursachen, heißt es seitens des diakonischen Altenhilfeträgers Dienst für Menschen, den die evangelische Landeskirche als Bauherr eingesetzt hat. Eigentlich hätte das Pflegeheim in diesem Jahr bezogen werden sollen, doch die Umsiedlung schützenswerter Zauneidechsen hatte diesen Zeitplan zunichte gemacht.

Der Kalkofen ist sehr gut erhalten

Weil das gesamte Klostergelände ein archäologisches Kulturdenkmal ist, wurde erst einmal vorsichtig der Oberboden entfernt und nicht sofort mit den Bauarbeiten begonnen. Es sei klar gewesen, dass der Boden genauer untersucht werden sollte, berichtet Brenner. Und tatsächlich wurden die Fachleute schnell fündig. Für die Ausgrabungen, die noch voraussichtlich bis Mitte März andauern werden, sind die Archäologen Sören Frommer und Doris Schuller vom Büro IKU aus Rottenburg zuständig. Sie haben die Funde als überregional bedeutend eingestuft. Ein Kalkofen, der aus dem 12. oder 13. Jahrhundert stammt, könnte im Zusammenhang mit Bautätigkeiten im Kloster stehen. „Er ist hervorragend erhalten“, sagt Frommer.

In dem Ofen wurden Kalkbrocken über vier Tage auf Temperaturen von mehr als 1000 Grad Celsius erhitzt. Mit dem so gebrannten Kalk wurde dann Mörtel angerührt. Doch der Kalkofen ist nicht der einzige wertvolle Fund. Unterhalb des einstigen Margarete-Blarer-Hauses sind die Archäologen außerdem auf eine gut erhaltene Kellermauer samt Treppe gestoßen. Dieser Fund wird von den Fachleuten der zweiten Klosterschule aus dem frühen 18. Jahrhundert zugeordnet. Das sogenannte Försterhaus, das im 19. Jahrhundert erbaut wurde, war ein Umbau des älteren Gebäudes und wurde bereits in den 1950er-Jahren abgerissen. Darüber hinaus gibt es in dem nun umgegrabenen Bereich auch einen Graben mit Keramikfunden, die bis in die Zeit der Merowinger zurückreichten.

Wozu der Graben einst gedient haben mag, darüber sind sich die Experten bisher nicht sicher. „Wir sind ein bisschen verzweifelt mit dem Fund. Wir wissen nicht genau, mit was wir es zu tun haben“, erklärt Frommer. In dem Graben wurden neben den Keramikscherben auch Tierknochen, Holzkohle, Tuffgestein, Kalksand und verbrannte Steine gefunden. Eine der gefundenen Topfkachelscherben wird von den Archäologen als eine der ältesten Ofenkachelformen in Baden-Württemberg eingestuft. Zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert waren Kachelöfen ein Statussymbol. Darüber hinaus wurde ein verzierter Beschlag aus Knochen gefunden, der von einem Reliquienkästchen aus dem Hochmittelalter stammen könnte.

Die Bauarbeiten gehen inzwischen weiter

Relevant für die Ortsgeschichte sind die Funde allemal, erklärt Frommer. Zum einen könnte das Försterhaus bereits im frühen 18. Jahrhundert und nicht wie angenommen erst im 19. Jahrhundert gebaut worden sein. Außerdem lassen Kellermauern, die im 12. Jahrhundert verfüllt wurden, vermuten, dass das Areal schon vor der Klostergründung um 1130 bebaut war.

Dass es sich bei der Bebauung um eine gewöhnliche Siedlung gehandelt hat, das glauben die Archäologen nicht. Die Funde weisen eher darauf hin, dass es wohlhabende Leute waren, die dort lebten. Auf einigen Teilen des Areals gehen die Bauarbeiten inzwischen weiter. Eine neuerliche Verzögerung wie durch die Entdeckung von Zauneidechsen ist wegen der archäologischen Grabungen nicht zu befürchten. Denn laut dem Dienst für Menschen müsse das neue Gebäude ohnehin zunächst gegründet werden. Im September 2020 soll das Pflegeheim bezugsfertig sein.

Einige Funde aus Denkendorf werden im Archiv des Landesmuseums in Rastatt gesammelt. Der Rest, beispielsweise der Kalkofen oder Reste von Kellergewölben, wird dagegen nach einer Untersuchung und Dokumentation von den Baumaschinen zerstört und entsorgt.