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Die Pflegereform von Gesundheitsminister Gröhe bringt Verbesserungen für Patienten und Angehörige. Doch das ist nicht zum Nulltarif zu haben.

Berlin - Die Leistungen für pflegebedürftige Menschen werden deutlich ausgeweitet und kommen erstmals auch in vollem Umfang Demenzkranken zugute. Zudem werden pflegende Angehörige in der Renten- und Arbeitslosenversicherung besser abgesichert, damit Patienten möglichst lange zu Hause betreut werden können.

Das sind wesentliche Punkte der zweiten Stufe der Pflegereform von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), die der Bundestag am Freitag beschloss. Streit gab es in der Frage, ob Pflegebedürftige in Heimen nach der Umstellung auf das neue System von 2017 an weniger Hilfe bekommen.

Das zweite Pflegestärkungsgesetz von Gröhe führt eine neue Definition der Pflegebedürftigkeit ein. Es sieht vor, dass Patienten mit Demenz, also mit nachlassenden geistigen Fähigkeiten, den gleichen Zugang zu Pflegeleistungen bekommen wie körperlich Behinderte.

Die bisherigen drei Pflegestufen sollen auf fünf Pflegegrade erweitert werden. Damit könne die Bewertung von Pflegebedürftigkeit individueller gestaltet werden, sagte Gröhe. Pflegebedürftige können auch früher unterstützt werden - etwa beim Umbau einer barrierefreien Wohnung oder des Badezimmers.

Niemand soll schlechter gestellt werden

Der Minister versicherte in der abschließenden Beratung des Gesetzes erneut, niemand werde durch die Reform schlechter gestellt. Im Zweifel werde hochgestuft. Bei einer Hochstufung im Zuge einer Neubewertung müssen Pflegebedürftige laut Gröhe keinen höheren Eigenanteil befürchten.

Ein zentrales Ziel der Reform sei es, die Fähigkeiten der Pflegebedürftigen zu stärken, um ihnen möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, erläuterte Gröhe. Zugleich rief er dazu auf, die Arbeitsbedingungen in der Pflege attraktiver zu machen, um mehr Personal zu gewinnen. Pflegekassen werden zur Beratung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen über deren Möglichkeiten verpflichtet.

Bereits Anfang des Jahres war das erste Pflegestärkungsgesetz in Kraft getreten. Mit den beiden Stufen werden die Beiträge zur Pflegeversicherung von 2,05 auf 2,55 Prozent vom Jahr 2017 an erhöht. Das soll rund fünf Milliarden Euro bringen. Gröhe geht davon aus, dass der Beitrag dann bis 2022 nicht mehr erhöht werden muss.

Ab 2017 weniger Geld für Pflegeheimbewohner?

Nach Darstellung der Deutschen Stiftung Patientenschutz erhalten von 2017 an neue Antragsteller, die ins Pflegeheim müssen, deutlich weniger Geld von der Pflegekasse. Nach Berechnungen von Stiftungsvorstand Eugen Brysch bekommen Pflegeheimbewohner mit Pflegestufe I derzeit 1064 Euro. Künftige Heimbewohner bekommen im neuen Pflegegrad II dann nur noch 770 Euro. Der Eigenanteil werde somit steigen.

Die Sprecherin des Gesundheitsministeriums, Katja Angeli, nannte Bryschs „Behauptungen absurd. Ich kenne auch keinen Pflegeexperten, der so etwas teilt.“

Unterstützung bekam Brysch von der nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne). „Die im Gesetz vorgesehene Besitzstandswahrung gilt nur für Menschen, die bis Ende 2016 bereits in einem Heim leben“, sagte sie und fügte hinzu: „Zu den negativen Folgen (der Reform) gehört, dass Pflegebedürftige ab 2017 weniger Geld als heute aus der Pflegeversicherung erhalten, wenn sie mit einer niedrigen Pflegestufe in ein Pflegeheim einziehen.“

Sie führte dabei ähnliche Berechnungen an wie Brysch und erklärte, entsprechend steige der Eigenanteil an den Kosten für das Leben im Heim. Und wenn Pflegebedürftige und deren Angehörige die Kosten nicht alleine tragen könnten, treffe es die zuständige Kommune. Man könne versuchen, Verschlechterungen finanziell oder fachlich zu begründen. „Aber sie zu verschweigen oder sogar als „absurd“ zurückweisen zu lassen, ... das geht gar nicht“, sagte Steffens an die Adresse Gröhes.