Die neue Fluchttreppe vom Cannstatter Wasen zur Mercedesstraße. Foto: Petsch

Mit Hilfe zweier Treppen will man den Wasen im Notfall binnen kürzester Zeit evakuieren.

Stuttgart - Gemeinhin zerbrechen sich die Organisatoren den Kopf darüber, wie sie ihre Besucher auf den Wasen bringen. Dieses Jahr tüftelten Veranstalterin, Stadt, Polizei und Feuerwehr an einem Konzept, wie sie die Menschen schnell vom Gelände bringen. So richtet man mehr Fluchtwege ein, darunter zwei Treppen.

Ärger: klar, den gibt es immer auf einem Festplatz, bei dem der Geschäftszweck der Verkauf von Alkohol ist. Doch bisher gab's bei 165 Volksfesten nichts, was nicht der Arzt kurieren konnte. Gut, einmal brannte das Kapitell der Fruchtsäule ab, ein anderes Mal loderte des Nachts ein Festzelt. Aber ein Notfall, also ein Anschlag, ein Großfeuer, eine Panik, das gab es noch nie. Warum also ein neues Sicherheitskonzept für 500.000 Euro?

Die Antwort ist ein Name. Duisburg! Die Katastrophe bei der Loveparade 2010, bei der 21 Menschen starben, hat alle Veranstalter von Festen aufgeschreckt. Kurz danach hatten Volksfest-Veranstalterin in.Stuttgart, Polizei, Feuerwehr, DRK und Stadt das Sicherheitskonzept auf dem Wasen überprüft. Und die Gassen verbreitert, auf bis zu zehn Meter. Das Holztor an der König-Karls-Brücke wurde abgerissen, beim Traditionsmorgen an der Fruchtsäule mussten die Besucher stehen. Die Stühle hätten die Fluchtwege blockiert. "Aktionismus" bescheinigte daraufhin mancher Schausteller und Beobachter den Verantwortlichen.

"Das Gelände ist problematisch"

Das war der erste Schritt. Zugleich erstellten die Sicherheitsexperten Willi Siegfried und Rüdiger Haas aus Braunschweig ein Gutachten, zählten die Menschen, beobachteten ihre Wege. "Dieses Gutachten bildet die Basis für die Erweiterung der Sicherheitsmaßnahmen", sagt Andreas Kroll, Chef von in.Stuttgart, "das Sicherheitsniveau war immer sehr hoch, doch nun geht es um eine Entfluchtung bei einer maximalen Auslastung." Dann wären 100.000 Menschen auf dem Platz, die binnen kürzester Zeit vom Wasen fluten sollen.

"Das Gelände ist problematisch, weil zugeknöpft", sagt Feuerwehrchef Frank Knödler, "auf der einen Seite ist der Neckar, auf der anderen die Straßenbahn und die Mercedesstraße." Man habe also Ventile schaffen müssen. Dies will man mit zwei neuen Treppen erreichen. Eine ist 30 Meter breit zwischen Kegelenstraße und Elwertstraße, die zweite 25 Meter breit, sie ist gegenüber der Feuerwache. Sie führen vom Wasen hoch aufs Gleisbett, das asphaltiert wird, damit es keine Stolperfalle ist. Im Notfall würden selbstverständlich keine Stadtbahnen mehr fahren.

"Zur Not ziehen wir den Stecker"

Auch das Tor zum Reitstadion wird als Fluchtweg geöffnet, und auch beim Almhüttendorf wird ein zweiter Notausgang zum Parkplatz hin eingerichtet. Doch besonders wichtig sind die Treppen. Sie werden nach dem Wasen wieder abgebaut. Und während des Volksfests mit Zäunen abgeschirmt und von den Ordnern bewacht. Sie dürfen nur bei einem Notfall benutzt werden.

Dann aber seien sie sehr wichtig. Denn die Experten prophezeien, dass bei einem Notfall viele Besucher zur Mercedesstraße hin laufen. Richtung Bahnhof Bad Cannstatt und Stadtbahn-Haltestelle. Weil man in Panik auf bekannte Wege strebt. Oder wie es Knödler sagt: "Dort wo ich hineingehe, will ich wieder hinaus." Doch dort gab es kaum ein Hinaus. Die Unterführung zum Bahnhof ist schmal, ebenso der Übergang an der Stadtbahn-Haltestelle.

Raus bekommt man also die Menschen, doch woher wissen sie, dass sie flüchten sollen. "In den Zelten sind Mustertexte für Durchsagen vorgesehen", sagt Kroll. "Auf den Platz kommen wir mit Blaulicht", sagt Knödler, "zur Not ziehen wir den Stecker." Wir, das bedeutet Polizei, Feuerwehr, DRK, Stuttgarter Straßenbahnen, Veranstalterin und die Stadt. "Das A und O ist die Kommunikation", sagt Knödler, "wir sind alle hier auf dem Platz, wir können schnell entscheiden." Man fühlt sich gerüstet. In der Hoffnung, nie den Ernstfall erleben zu müssen.