Maria Palaska hat ein neues Konzeptalbum entwickelt. Foto: Gottfried Stoppel

Opernsängerin Maria Palaska wuchs nahe Saloniki auf. In der griechischen Hafenstadt lebten einst viele sephardische Juden, bevor sie der Schoah zum Opfer fielen. Auf ihrer neuen CD singt die Sopranistin auch sephardische Lieder auf Ladino.

Die Zweige eines silbrig-grünen Olivenbaumes säumen den schwarz gelockten Haarschopf von Maria Palaska. Ihr lächelndes Gesicht ist nur halbseitig zu sehen. Die Szenerie auf dem CD-Booklet von „Melodia Mediterranea“ wird durch das Laub der Ölbäume bestimmt. Der Olivenhain erinnert an Reisen nach Italien, Spanien oder Griechenland.

 

Die in Fellbach wohnende Opern- und Konzertsängerin Maria Palaska hat ihr Konzept-Album während der Coronapandemie entwickelt: „Das gesamte Projekt wird getragen von der Sehnsucht nach dem Mittelmeer sowie seinen Melodien, Bildern und Emotionen, die aus dieser Musik entspringen“, erklärt sie. Ein „Melting-Pot“ sei der Mittelmeerraum immer schon gewesen, sagt die griechische Sopranistin. Bei den ausgewählten Stücken handelt sich um eine Sammlung von Liedern klassischer Komponisten aus Italien (Ermanno Wolf-Ferrari, Ottorino Resphigi), Griechenland (Giannis Konstantinidis), Spanien (Jaime Padrós) und Österreich (Hugo Wolf, Joseph Marx). Das Spezifische an dieser Auswahl ist, dass praktisch alle Lieder auf alten Texten und Melodien aus verschiedenen Mittelmeerregionen basieren, aber von Komponisten neu geschrieben wurden.

Bei einem Auftritt in Fellbach im Juni 2022 (von links): Yannis Tsanakaliotis, Maria Palaska, Andreas Nebl und Lee Santana Foto: Luz-Maria Linder

Kulturelle Brückenbauerin

Und im Grunde verkörpert die in Veria geborene Maria Palaska ja mit ihrer eigenen Lebensgeschichte auch diese Verbindung von Klassik und Volksliedkunst. „Beides existiert in mir“, sagt sie. „Wir haben ja in Griechenland eine sehr lebendige Volksliedtradition. Andererseits hat unser Land keine so große klassische Tradition in der Musik.“ Sie finde es sehr spannend, wie dann in der Spätromantik aus Liebe für den Süden klassische neue Kompositionen entstanden. „Schon seit dem Studium reizt mich dieses Thema“, sagte sie. Seit sie in Stuttgart war, wo sie von 2007 bis 2012 Liedkunst studierte und ihren Master machte, war sie von Hugo Wolf verzückt: „Ich liebe diese Musik sehr.“

Als kulturelle Brückenbauerin betätigt sich die griechische Sängerin nicht nur mit dieser Kollektion. Bereits als Kind und Jugendliche kommt sie mit Klassik in Berührung: „Meine Eltern, die in den 1970er Jahren in Griechenland studierten und damals in der Studentenbewegung aktiv waren, haben zu Hause viele Schallplatten gehabt. Und wir haben auch später viel Klassik, aber auch Jazz gehört.“ Sie selbst habe schon als Kind gerne Opern und die Stimme von Maria Callas imitiert. „Manchmal habe ich Stücke mitgesungen und gemerkt: Meine Stimme kann ja ganz schön hochgehen.“ In der Musikschule in Veria singt sie schon als Kind im Chor. Durch die musikalische Frühförderung wird ihr Talent entdeckt. „Vielleicht könntest du mal Gesangsunterricht nehmen“, schlägt ihr Gitarrenlehrer damals vor.

Die Papagena war ihre erste Rolle

2002 beginnt Palaska nach dem Lykeio in Thessaloniki Archäologie zu studieren. Parallel dazu macht sie aber auch die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule Saloniki und studiert klassischen Gesang. Beide Studiengänge schließt sie ab. Nebenbei wirkt sie auch im Opernchor mit. So bekommt sie ihre erste Solorolle: „Ich durfte die Papagena aus der Zauberflöte singen.“ Ihr eindrucksvoller Sopran öffnet ihr später die Tür zur Nationaloper Athen und vielen anderen Häusern, unter anderem auch zur Stuttgarter Oper.

Und wie sieht es mit eigenen Kompositionen aus? Sie lacht und winkt ab: „Das mache ich nur allein in der Badewanne oder wenn ich Auto fahre.“ Im Moment sei sie hauptsächlich als Konzertsängerin und Stimmbildnerin tätig und arbeite viel mit Chören, sagt die zweifache Mutter aus Fellbach. Ihr erstes Kind kam in der Coronazeit zur Welt. Während der Pandemie, wo sie keine Auftritte und Engagements mehr hatte, entstand die Idee für das inzwischen veröffentlichte Album. „Das ist sozusagen mein drittes Kind“, sagt sie.

Die jüdische Gemeinde in Thessaloniki

Dabei standen ihr Yannis Tsanakaliotis (Piano), Andreas Nebl (Akkordeon) und Lee Santana (Laute) musikalisch zur Seite. Mit den drei Instrumentalisten arbeitet sie schon länger zusammen. Der aus den USA stammende Lee Santana hat den dritten Zyklus „Sieben Sephardische Lieder aus Thessaloniki“ vertont. Die Hafenstadt Thessaloniki sei vor allem im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts eine wichtige Heimat der sephardischen Juden gewesen. „Wir haben im jüdischen Archiv in Thessaloniki recherchiert und ältere sephardische Texte gefunden. Die Liedtexte sind in Ladino, einer spanisch-jüdischen Sprache, verfasst. Wir haben mehrere Texte ausgewählt und Lee hat sie vertont“, sagt Palaska. Fast die ganze jüdische Gemeinde Thessalonikis sei später in der Zeit der deutschen Besatzung der Schoah zum Opfer gefallen. Umso eindrücklicher singt Palaska nun diese Ladino-Lieder, die von unerfüllter Liebe, Sehnsucht und Leid handeln und an eine fast schon vergessene Zeit und Geschichte erinnern.

Sephardische Juden

Geschichte
In Thessaloniki erinnert seit 1997 ein Holocaustdenkmal an die ermordeten Juden der Stadt. Einst lebte dort die größte jüdische Gemeinde Griechenlands. Einen großen Teil dieser Community machten die sephardischen Juden aus, die sich nach ihrer Vertreibung aus Spanien im Norden Griechenlands niederließen. Viele wurden von den Nationalsozialisten ermordet. Zurzeit entsteht in der Stadt ein Holocaust-Museum, um die verdrängte Geschichte aufzuarbeiten – auch mit deutscher finanzieller Unterstützung.