Auch in Filialen der Edeka-Gruppe tauchen Selbstbedienungskassen auf. Die Ketten arbeiten auch an Handyapps für digitales Bezahlen. Foto: dpa/Swen Pförtner

Kunden von Aldi Süd im Gerber können neue Selbstbedienungskassen ausprobieren. Im Ausland sind sie oft schon die Regel. Experten fürchten um Arbeitsplätze.

S-Mitte - Der Einkauf wird auf die Scannerfläche gelegt. Dann tauchen auf dem Bildschirm schon die Warenbezeichnung und der Preis auf. Nur bei Obst und Gemüse funktioniert das Wunder nicht wie von selbst. Auf dem Bildschirm gibt es eine Fläche, auf der beide Bezeichnungen vermerkt sind. Nach einer Berührung werden Karotten oder Äpfel gewogen und nun erscheint auch ihr Preis in der Liste der eingekauften Waren.

Die Gesamtsumme lässt sich mit der Karte begleichen. Kein Bargeld wandert von Hand zu Hand. Auch die Ware wird von keinem anderen Menschen an der Kasse über den Scanner gezogen. In Pandemiezeiten erscheint das so beruhigend wie der Griff zum Desinfektionsmittelfläschchen.

Neue Kassen gibt im Gerber

In der Aldi-Süd-Filiale in der Einkaufsmall Gerber ist das Bezahlen nun an mehreren Selbstbedienungskassen möglich. Laut Angaben des Unternehmens wurden sie testweise aufgestellt. Aldi Süd erhofft sich Erkenntnisse darüber, wie Kunden das Bezahlen am Scanner statt beim Kassierer annehmen. „Nach der Testphase werden wir daher erst einmal eine Auswertung vornehmen“, erklärt eine Sprecherin von Aldi Süd. Sie bittet um Verständnis, dass das Unternehmen keine weiteren Angaben zu dem Versuch machen will, solange die Testphase noch nicht ausgewertet ist.

Auf zwei Fragen gibt es von Aldi Süd deshalb vorerst keine Antwort. Wie will das Unternehmen vermeiden, dass Kunden betrügen und Ware ohne das wachsame Auge eines Kassieres einfach in der Einkaufstasche verschwindet? Und welche Auswirkungen erwartet Aldi Süd von der Digitalisierung des Bezahlvorgangs für seine Beschäftigten an den Kassen?

Migros machte den Anfang

Eine Filiale der Schweizer Kette Migros in einem Züricher Quartier testete bereits im Jahre 1965 zum ersten Mal eine „Selbsttipp-Kasse“. Doch Migros beließ es seinerzeit bei dem einen Versuch. Nachdem allerdings Scanner und Barcode-Leser Einzug in die Supermärkte hielten, änderten sich auch die Möglichkeiten für Selbstbedienungskassen. Nun war es möglich, etwa das Gewicht von Obst und Gemüse zu messen und es einem Preis zuzuordnen. Die großen Schweizer Supermarktketten Coop und Migros setzen nach 2005 die neuen Systeme in der Fläche ein. Selbstbedienungskassen sind in Großbritannien bei den großen Anbietern Tesco und Sainsbury’s sogar in kleinen Städten alltäglich geworden.

Selbstbedienungskassen sind attraktiv für die Betreiber von Supermärkten, weil sie zum einen wenig Platz im Vergleich zu herkömmlichen Kassen beanspruchen. Eine höhere Kassenanzahl reduziert Warteschlangen und kann die Kundenzufriedenheit erhöhen. Eine Ausstattung mit Selbstbedienungskassen erlaubt Supermärkten außerdem, Personalkosten einzusparen. Das System lohnt sich in der Praxis offenbar für die Betreiber, selbst wenn der eine oder andere Kunde sich unbeobachtet fühlt und beim Bezahlen schummelt.

Deutschland hinkt Trend hinterher

Deutschland zeigte sich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in Sachen Selbstbedienungskassen bisher zurückhaltend. Sie sind in Stuttgart ein so seltener Anblick, dass Aldi Süd im Gerber nun mit einem Werbeplakat auf die testweise Aufstellung der neuen Kassen aufmerksam macht. Doch die Deutschen galten vor der Pandemie auch als hartnäckige Verweigerer des Bezahlens mit der Karte. Dies hat sich nach eineinhalb Jahren Coronakrise geändert. Die Selbstbedienungskassen schleichen sich auch in Deutschland langsam in den Alltag ein.

Neben Aldi Süd tüfteln weitere Ketten an digitalen Lösungen. Bei der Rewe-Group ist unter dem Schlagwort „Scan & Go“ seit 2019 das Einkaufen mit der Hilfe einer Handyapp möglich wie auch bei der Edeka-Gruppe.

Ketten setzten verstärkt auf Digitalisierung

Das Unternehmen spricht davon, dass es „Scan & Go“ bald in 150 Filialen in Deutschland geben soll. Ein Stuttgarter Rewe oder Penny Markt befindet sich bisher laut einer Sprecherin nicht darunter. Lidl testet ein ähnliches Konzept derzeit im europäischen Ausland. Kaufland hat nach eigenen Angaben Selbstbedienungskassen in 100 von insgesamt 700 Filialen bundesweit im Einsatz.

Mitarbeiter stünden immer an den Scannern bereit, um Kunden bei der Verwendung der Geräte zu unterstützen, erklärt eine Kaufland-Sprecherin. „Die SB-Kassen ersetzen keinesfalls die Arbeitsplätze unserer gut ausgebildeten und kompetenten Kassierer und Kassiererinnen“, betont sie.

Gewerkschaft warnt vor Folgen

Wolfgang Krüger, Leiter des Fachbereichs Handel bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, fürchtet durchaus, dass es den Kassierern auf lange Sicht so gehen könnte wie den Droschkenkutschern nach der Erfindung des Autos. Die Möglichkeiten, qualifizierte Arbeitsplätze ausgebildeter Kassierer einzusparen, sei für viele Unternehmen zu verlockend, ist er sich sicher. Gerade eine jüngere und technikaffine Klientel dürfte an dem Wandel Gefallen finden, meint er. „Wenn alle nur schnell durch den Laden wollen, geht es in diese Richtung“, sagt Krüger. Dass es dann aber noch anonymer im Alltag zugehen werde, sollten sich Kunden bewusst machen.