Von oben herab: Forstminister Bonde (links) und SPD-Fraktionschef Schmiedel Foto: dpa

Grün-Rot steht beim Jagdgesetz mächtig unter Druck – die Jäger sind mit der Novelle ebenso wenig zufrieden wie radikale Tierschützer. Beide haben ihrem Unmut gestern auf dem Stuttgarter Schlossplatz Luft verschafft.

Grün-Rot steht beim Jagdgesetz mächtig unter Druck – die Jäger sind mit der Novelle ebenso wenig zufrieden wie radikale Tierschützer. Beide haben ihrem Unmut gestern auf dem Stuttgarter Schlossplatz Luft verschafft.

Stuttgart - Waldhörner schmettern und Hunde bellen, selbst einen Hochsitz haben rund 350 Jäger aus dem ganzen Land auf dem Stuttgarter Schlossplatz aufgebaut, um gegen die Jagdrechtsreform zu protestieren. Obwohl dieses Thema am Mittwoch gar nicht auf der Tagesordnung steht, mischt sich fast der gesamte Landtag unter die grün gewandeten älteren Herren.

Auf politisches Grün sind die allerdings gar nicht gut zu sprechen. Denn Forstminister Alexander Bonde plant ihrer Ansicht nach ein Gesetz, dass ihnen das Waidwerk vergällt und sie unter Kuratel der Naturschützer stellt. „Gerechtes neues Jagdrecht“ steht auf ihren Aufklebern, und Stuttgarts Kreisjägermeister Georg Urban sagt: „Wir lehnen das Gesetz auch aus Ehrengründen ab.“ Die Jäger wollten eigenverantwortlich handeln.

Sein Leonberger Kollege Bodo Sigloch redet derweil auf Ministerpräsident Winfried Kretschmann ein: Man wolle mit der Charmeoffensive zeigen, dass Jäger „ganz normale Menschen“ seien, sagt er, „und nicht solche, die Hunde und Katzen erschießen.“

Dann muss man das auch nicht verbieten, schwingt unausgesprochen mit. Doch verbieten will Grün-Rot den Jägern so manches, was sie bisher gewohnt sind. Das Fallen stellen zum Beispiel. Oder das Schießen mit Blei. Oder das Füttern von Wildtieren. Oder das Jagen im Februar und März.

Dadurch werde sich die Wildschweinplage verschärfen, halten sie dagegen, und Kretschmann hört sich die Argumente mit todernstem Gesicht an. Dann kramt er sein breitestes Schwäbisch hervor und antwortet: „Mir schaffet die Revierjagd ja net ab.“ Das Problem der Wildschweine könne ja nun nicht von Grün-Rot kommen, denn noch gebe es das neue Jagdrecht gar nicht.

Während die ersten Demonstranten ermattet beim nahen Café Künstlerbund niedersinken und sich bei Wildfleischkäs mit Kartoffelsalat stärken, erklimmen die ersten Politiker den Hochsitz. „So weit sind wir nicht auseinander, wie die schrille Debatte vermuten ließ“, ruft Forstminister Bonde aus zwei Metern Höhe – von unten gellen ihm Pfiffe entgegen.

Die Jäger wollten verhindern, was längst EU- und deutsches Recht sei, argumentiert Bonde streng. Doch dann steckt er den Kontrahenten ein Zuckerstück entgegen: „Die Verhandlungstür ist offen.“ Der Gesetzentwurf sei keinesfalls schon besiegelt, man werde ihn überarbeiten.

Die Jäger setzen dabei vor allem auf die SPD, von denen mindestens ein Abgeordneten angekündigt hat, er könne den Entwurf nicht mittragen. In der Fraktion bastelt man deshalb an einem Kompromiss, der auch den Jägern schmecken soll.

„Ich verspreche Ihnen: Wir werden ein praxistaugliches Recht verabschieden, weil wir das bewährte System der Jagd beibehalten wollen“, ruft Fraktionschef Claus Schmiedel vom Hochsitz. Man müsse die Jagd und den Naturschutz zusammenführen, anstatt sie zu trennen.

Der Beifall ist allerdings lau. Da wird der CDU-Mann schon anders gefeiert. „Sie sind doch die einzig geprüften Naturschützer“, ruft Wolfgang Reuther in die grüne Menge und verspricht Schützenhilfe gegen das ungeliebte Gesetz. Wie zum Beweis für die Qualität seiner Argumente referiert Reuther aus seinem eigenen Stammbaum: Vater, Großvater, Urgroßvater – alle Jäger.

Auch sein FDP-Kollege Andreas Glück lässt sich die Chance nicht entgehen, einmal von der Kanzel zu predigen. Die Jagd im Land funktioniere doch, ruft er. Man müsse das Gesetz überhaupt nicht ändern. Jedenfalls nicht so, dass alles schlechter werde.

Kretschmann strebt unterdessen wieder dem Landtag zu. Er habe den Eindruck, man habe wieder eine sachliche Diskussionsebene erreicht, sagt er Journalisten. Er wolle mal sehen, in wie weit er den Jägern noch entgegenkommen könne. „Aber dann geht’s natürlich bei den Naturschützern hoch“, korrigiert er sich sofort und blickt dabei ziemlich unglücklich drein.

Doch dazu braucht es kein Entgegenkommen. Demonstrativ stellt sich eine kleine, etwa zehnköpfige Gruppe der Tierschutzorganisation Animal Equality vor die vor dem Landtag flanierenden Jäger und hält Schilder hoch, auf denen Sätze wie „Jagd ist Mord“stehen.

Noch zeigen sich die Jäger unbeeindruckt. Doch als sie unbeirrt in die Jagdtrompeten blasen, kontern die Gegendemonstranten mit Trillerpfeifen. Die Stimmung schaukelt sich hoch. Schließlich schlägt ein 74-jähriger Jäger einer 19-jährigen Tierschutzaktivisten die Pfeife mit einer Zeitung aus dem Mund, wobei diese leicht verletzt wird. Die Polizei greift ein und nimmt die Anzeige des Opfers auf.

„Wenn ein Jäger aus der Reihe tanzt, können doch wir als Organisatoren nichts dafür“, kommentiert Urban den Vorfall später. Konfrontationen mit Jagdgegnern wollte er unbedingt vermeiden.

Hendrik Hassel, Pressesprecher bei Animal Equality, unterstellt den Jägern Gewaltbereitschaft – nicht nur gegenüber Tieren. Für ihn ist auch der diskutierte Gesetzesentwurf nur ein kleiner Schritt zum erklärten Ziel: Die Jagd ganz abzuschaffen. „Das ganze hier ist doch eine einzige Lobby-Veranstaltung“, ärgert Hassel sich. Außerdem ist er der Meinung, dass die Jäger mit ihrer Präsentation die Bannmeile vor dem Landtag verletzt haben – die nicht für solche Zwecke bestimmt sei.

Doch selbst die Forderung der Jäger, entgegen dem neuen Gesetzesentwurf Wildtiere aus Bestandsschutzgründen weiterhin füttern zu dürfen, befürwortet er nicht – obwohl die Jäger bisher durch Füttern im Winter auch Tierleben retten. „Da sind sie doch nur dagegen, damit sie noch mehr zum Abknallen haben“, glaubt Hassel.