Ausgangssperren erleichtern der Polizei die Kontrollen. Foto: 7aktuell.de/Oskar Eyb/7aktuell.de | Oskar Eyb

Die Regierung in Stuttgart will Donnerstag entscheiden, ob ein neues Bundesgesetz zum Infektionsschutz vollständig umgesetzt wird: Knackpunkt ist die Ausgangssperre, da will der Bund die Regeln etwas lockern.

Stuttgart - Die Landesregierung von Baden-Württemberg will erst am Donnerstag eine politische Entscheidung darüber treffen, ob sie die im Rahmen des Bundesinfektionsschutzgesetzes bundesweit verbindlichen Corona-Restriktionen eins zu eins umsetzen will. „Wir werden uns Donnerstag dazu äußern“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Arne Braun unserer Zeitung. „Aber wir tendieren zu härteren Maßnahmen.“ Zunächst werde man die Beschlussvorlage des Bundes prüfen. Anpassungen an die Landes-Corona-Verordnung könnten dann nächste Woche vorgenommen werden.

Man wolle dem Bund „nicht in den Rücken fallen“, heißt es

Die heikelste Frage ist die nach der nächtlichen Ausgangssperre bei hohen Infektionszahlen, die in Baden-Württemberg bereits ab 21 Uhr gilt, der Bund will sie erst von 22 Uhr an in Kraft setzen und Ausnahmen für Spaziergänger und Jogger bis 24 Uhr zulassen. Nach Ansicht der Landesregierung ist eine striktere Ausgangssperre aber ein gutes Mittel, die Kontakte einzuschränken und die Infektionszahlen zu senken. „Das ist etwa wie die Quadratur des Kreises“, sagte Arne Braun. „Wir wollen strenge Maßnahmen, aber wir wollen dem Bund auch nicht in den Rücken fallen.“ Weniger problematisch ist für Braun die Frage nach den Schulen: Dort plant der Bund ab einer 7-Tage-Inzidenz von 165 nur noch Fernunterricht zuzulassen. Dies ist auch im Sinne der Landesregierung. Bisher gilt im Südwesten die Regel, dass ab einer Inzidenz von 200 in den einzelnen Kreisen nur Fernunterricht möglich ist.

Fernunterricht wird 23 von 44 Landkreisen betreffen

Wird die 165-er-Regel eingeführt, dann wären in Baden-Württemberg von der Rückkehr zum Distanzunterricht 23 der 44 Stadt- und Landkreise im Land betroffen. Sie liegen laut den Zahlen des Robert-Koch-Instituts vom Mittwoch über diesem Wert. Derzeit sind vom Fernunterricht „nur“ elf Landkreise betroffen, in denen die Inzidenz über 200 liegt. Die durchschnittliche 7-Tage-Inzidenz in Baden-Württemberg liegt bei 172.

Bayern hat schon signalisiert, dass es „abweichen“ wird

Dass es die Möglichkeit des Abweichens für strengere Maßnahmen auf Landesebene gibt, das ist unstrittig. So will Bayern trotz der Bundesbeschlüsse bei seiner bisher gültigen und damit strengeren Regelung im Schulbereich festhalten, wie Florian Herrmann (CSU), der Chef der Staatskanzleichef in München, dem „Münchner Merkur“ mitteilte. Es soll in Bayern beim Fernunterricht ab einer Inzidenz von 100 bleiben. „Das sind wir der Gesundheit unserer Schülerinnen und Schüler schuldig“, so Herrmann. Diese Linie entspricht auch einer Forderung der Bildungsgewerkschaft GEW. Zuvor hatte das Gesundheitsministerium in München darauf hingewiesen, dass die 15- bis 19-Jährigen inzwischen die am stärksten von Corona-Neuinfektionen betroffene Altersgruppe im Freistaat seien.

Der FDP-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Hans-Ulrich Rülke, hat die Landesregierung vor einem Abweichen hin zu strengeren Regeln gewarnt: „Wir lehnen nächtliche Ausgangssperren ab. Vom Spaziergehen oder Joggen geht kein Infektionsrisiko aus. Das gesteht nun sogar die Bundesregierung ein und gestattet Joggen und Spaziergehen zumindest bis 24 Uhr. Es ist ein politischer Offenbarungseid der grün-schwarzen Landesregierung, wenn sie nun über die Maßnahmen des Bundes hinausgehen will.“ Es sei keinem Baden-Württemberger zu erklären, „wieso er nach dem Willen der Bundesregierung bis 24 Uhr spazieren gehen darf, Herr Kretschmann die Menschen aber schon ab 21 Uhr zu Hause festhält“.

Die FDP lehne auch das Festhalten an den reinen Inzidenzzahlen ab, auch die Impfquote und die Auslastung der Intensivbetten müssten in die Lagebeurteilung einfließen. Die FDP habe eine Sondersitzung des Landtags zum Thema beantragt, ohne eine Unterstützung von anderen Fraktionen oder der Regierung. Das sei eine „grobe Missachtung“ des Landtags durch Grün-Schwarz.