Er weiß, was Waldenbuch wert ist: der Kämmerer Werner Kiedaisch. Foto: Claudia Barner

Künftig sind Gemeinden zur doppelten Buchführung verpflichtet. Für die Eröffnungsbilanz ist in Waldenbuch das Gesamtvermögen der Stadt ermittelt worden. Der Kämmerer verrät im Interview, was der wertvollste Besitz ist und weshalb sie keine Kugelschreiber zählen mussten.

Waldenbuch - Stünde die Stadt Waldenbuch zum Verkauf, müsste ein Investor 55 890 799,72 Euro dafür auf den Tisch blättern. Das entspricht der Summe, die die Kämmerei der Schönbuchstadt als Wert für alle im städtischen Besitz befindlichen Vermögensgüter ermittelt hat. Dazu gehören EDV-Lizenzen, Kunstgegenstände sowie das Inventar der Kindergärten ebenso wie das Rathaus, die Schule, die Straßen oder der kommunale Wald. Der Kämmerer Werner Kiedaisch erklärt im Interview, wie die Zahlen ermittelt wurden und warum der Kassensturz wichtig war.

Herr Kiedaisch, Sie haben zum ersten Mal für die Stadt Waldenbuch eine umfassende Vermögensbilanz erstellt. Warum ist es plötzlich nötig, den Wert der Kommune bis ins Detail zu kennen?
Seit dem Jahr 2017 haben wir eine neue Haushaltstruktur. Die sogenannte Doppik – die bis 2020 übrigens für alle Kommunen Pflicht wird – funktioniert nach dem Prinzip der doppelten Buchführung. Dazu brauchen wir eine Eröffnungsbilanz, in der das gesamte Vermögen sowie die Schulden und Verpflichtungen der Stadt erfasst, bewertet und gegenübergestellt werden. Künftig müssen wir dann für unser Anlagevermögen Abschreibungen bilden. Das heißt konkret: Unsere Straßen, die einen Gegenwert von etwa 5,5 Millionen Euro haben, belasten den Etat für 2018 zum Beispiel mit rund 288 500 Euro. So soll im Sinne der intergenerativen Gerechtigkeit verhindert werden, dass die Kommunen von der Substanz leben.
Das klingt nach einer Sisyphusarbeit. Mussten Sie wirklich jeden Kugelschreiber bewerten?
Nein, das wäre nun wirklich zu kompliziert geworden. Der Gesetzgeber hat uns die Möglichkeit zur Vereinfachung gegeben. Vermögensgegenstände unter 1000 Euro wurden nicht erfasst. Straßengrundstücke haben wir aufgrund von Durchschnittswerten hochgerechnet und bei Waldflächen konnten wir für den Bewuchs mit einem Wert von 77 Cent pro Quadratmeter kalkulieren. Alles was nach dem Stichtag 1. Januar 2011 in den Besitz der Stadt gelangt ist, mussten wir mit Rechnungen belegen. Unser Doppik-Experte Sven Ehwald hat deshalb viel Zeit in unserem Rechnungsarchiv im Keller verbracht.
Haben Sie alle Belege gefunden?
Bei städtischen Einrichtungen wie Kindergärten, Kläranlage, der Musikschule oder dem Rathaus war die Sache relativ klar. Es gab aber Positionen, über die wir lange diskutiert haben. Viel Arbeit hat uns die Ausweisung von externen Zuschüssen oder Erschließungsbeiträgen gemacht. Da mussten wir gründlich recherchieren. Auch bei Kunstgegenständen, wie zum Beispiel dem Tuba-Spieler in der Kirchgasse, war die Einschätzung schwierig. Letztlich haben wir aber für alles eine Lösung gefunden. Jetzt wird die Bilanz von der Gemeindeprüfungsanstalt auf ihre Vollständigkeit hin überprüft. Danach wissen wir, ob wir in allen Punkten richtig lagen.
Was ist denn der wertvollste Besitz der Stadt?
Vom Anlagevermögen her stellt die Abwasserbeseitigung die größte Position in Waldenbuch dar. Die Kläranlage und mehr als 50 Kilometer Kanalnetz haben einen rechnerischen Gegenwert von rund zehn Millionen Euro.
Knapp 56 Millionen Euro sind eine stolze Summe. Über die Finanzausstattung der Stadt sagt die Vermögensbilanz aber leider nichts aus. Es muss weiter gespart werden. Warum ist das so?
Der größte Teil dieses Vermögens ist nicht verfügbar und steckt in Gebäuden, Infrastruktur, Maschinen, Technischen Anlagen oder der Betriebs- und Geschäftsausstattung. Wer wissen möchte, wie wir finanziell dastehen, muss auch die Passivseite sehen. Dazu gehören Rücklagen, Rückstellungen, Verbindlichkeiten und natürlich die Kredite. Unter dem Strich ist die Eröffnungsbilanz ausgeglichen. Wegen der nun erforderlichen Abschreibungen stehen im jeweiligen Gemeindehaushalt künftig aber weniger Mittel zur Verfügung als bisher. Das sind Lücken, die wir derzeit aufgrund der guten Konjunktur überbrücken. Mittelfristig aber müssen wir den Gürtel enger schnallen.