Am Stuttgarter Neckartor wird der EU-Grenzwert so deutlich überschritten, das das neue Gesetz nicht greift. In anderen Städten im Südwesten kann es dagegen zu einer neuen Lage führen. Foto: imago

Ein neues Gesetz, das diese Woche im Bundestag verabschiedet werden soll, erklärt die Sperrung von Städten mit leichter NOx-Überschreitung für „unverhältnismäßig“.

Berlin - Im Bundestag soll noch diese Woche ein Gesetz beschlossen werden, das Fahrverbote in Kommunen mit geringer Grenzwertüberschreitung unwahrscheinlicher machen soll. Die Regierungsfraktionen von Union und SPD haben sich auf einen gemeinsamen Antrag zur Änderung des Bundes-Immissionschutzgesetzes verständigt, der unserer Zeitung vorliegt, an diesem Dienstag in Ausschusssondersitzungen beraten und am Donnerstag im Plenum verabschiedet werden soll. Der Gesetzesänderung zufolge kommen Diesel-Fahrverbote „in der Regel nur in Gebieten in Betracht, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffoxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist“. Bei der Aufstellung von Luftreinhalteplänen sollen die Behörden künftig davon ausgehen, dass Sperrungen ihrer Städte „in der Regel unverhältnismäßig sein werden“.

Leonberg kann sich Hoffnungen machen

Die rechtliche Klarstellung betrifft bundesweit mehr als 20 Städte, wo den aktuellen Zahlen des Bundesumweltamtes zufolge der Grenzwert um nicht mehr als zehn Mikrogramm überschritten wird. Während die Neuregelung für Stuttgart, Heilbronn oder Reutlingen keine Änderung der Lage bringt, können sich auch vier Städte in Baden-Württemberg Hoffnungen machen: Geht es nach der Regierungskoalition wird es in Freiburg, Tübingen, Mannheim und Leonberg keine Fahrverbote geben, weil der weiter bei 40 Mikrogramm liegende EU-Grenzwerte schon bald mit den bereits eingeleiteten Maßnahmen erreicht wird.

Die Brüsseler Kommission hatte Mitte Februar keine grundlegenden Einwände gegen das Gesetz vorgebracht, da durch die Formulierung „in der Regel“ Fahrverbote als letztes Mittel zur Luftreinhaltung nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.

„Auch weiterhin sind Fahrverbote möglich“

Die Koalitionsfraktionen haben die Regierungsvorlage aus dem Dezember zudem um einen wichtigen Punkt ergänzt. „Weitere Ausnahmen von Verboten des Kraftfahrzeugverkehrs“, heißt es in dem zur Abstimmung stehenden Änderungsantrag, „können durch die zuständigen Behörden zugelassen werden.“ In der Praxis dürfte das zu mehr Flexibilität bei der Aufstellung von Luftreinhalteplänen führen. Ohnehin werden Diesel mit der neuesten Euro-6-Norm sowie mit Hardware aufgerüstete Euro-4- und Euro-5-Fahrzeuge von Verkehrsverboten ausgenommen, wenn sie pro Kilometer weniger als 270 Milligramm Stickstoffoxide ausstoßen. Auch städtische Busse, Müllabfuhren oder Handwerker-Autos fallen nun per Gesetz nicht mehr unter ein Verbot, sofern sie staatlich gefördert nachgerüstet wurden.

„An dem Placebo-Charakter des Gesetzes ändert sich grundsätzlich nichts“, kritisiert Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer: „Auch weiterhin sind Fahrverbote möglich, und die Gerichte dürften in der Zukunft zu keiner veränderten Rechtsprechung kommen.“ Das sehen die Koalitionsfraktionen, die große Hoffnungen in die Novelle setzen, freilich anders.