Das Domo ist sehr sanierungsbedürftig, das einstige Warenhaus steht leer. Foto: factum/Granville

Das Kultur- und Bürgerzentrum soll nun doch nicht in das Wohn- und Geschäftshaus einziehen. Die Frage ist nur, was aus dem maroden Betonklotz werden soll.

Sindelfingen - Die Sindelfinger Stadtverwaltung und der in dieser Frage federführende Kulturamtsleiter Horst Zecha wollen in dem Domo-Gebäudekomplex kein Bürgerzentrum mehr einrichten. Ausschlaggebend ist ein juristisches Gutachten, wonach die rechtlichen Hürden zu hoch sind. Denn allein etwa für eine bauliche Voruntersuchung sei die Zustimmung sämtlicher Eigentümer notwendig. Man müsse aber davon auszugehen, dass nicht jeder mit Probebohrungen an dem maroden Bauwerk einverstanden wäre, meinte der juristische Gutachter Jochen Stockburger. Dies wird aber nötig werden, um möglichen Altlasten auf die Spur zu kommen, die Sanierung planen und die Kosten ermitteln zu können.

Komplizierte Eigentumsverhältnisse

In dem Gebäude, in dem sich einst das Kaufhaus Domo befand, gibt es auch 76 Wohnungen mit mehr als 80 Eigentümern und Teileigentümern. Wenn die Experten das Bauwerk aus den 1960er Jahren genauer untersuchen, „könnte sich für sie eine Wertminderung ihrer Wohnungen ergeben“, sagte Stockburger in der jüngsten Gemeinderatssitzung. Klar sei, dass sie daran wohl kein Interesse hätten. Es wäre wohl viel Überzeugungsarbeit notwendig, um sie von der Notwendigkeit einer baulichen Expertise zu überzeugen, meinte der Jurist. „Das kann ein schwieriger und langer Weg sein, und am Ende haben wir dann doch nicht alle Einwilligungen.“

Zwar hätten die Eigentümer des einstigen Kaufhauses festgelegt, dass die Räume grundsätzlich auch anders genutzt werden könnten. Doch sei davon auszugehen, dass die Wohnungseigentümer etwas dagegen hätten, wenn in dem Gebäude auf einmal mehr Lärm herrsche. Denn festgehalten wurde auch, dass den Bewohnern durch eine alternative Nutzung keine unzumutbaren Nachteile entstehen dürfen. Und falls es zur Sanierung des Gebäudekomplexes und zum Umbau des ehemaligen Kaufhauses zu einem Bürgerzentrum kommen würde, legte Stockburger dar, wäre dafür wiederum das Einverständnis aller Eigentümer erforderlich. „Das alles birgt ein hohes Risiko, dass es Streit gibt.“

Alternativ-Standort ist das alte AOK-Gelände

Derweil bröckelt die Fassade und weist Risse auf, der Eingang ist in einem bedauernswerten Zustand, das Treppenhaus ist überholungsbedürftig, und vieles mehr wartet auf die Renovierung. Bei einer baulichen Untersuchung und der Veröffentlichung der Ergebnisse könnten der Stadt wegen der Wertminderung der Immobilie Schadensersatzansprüche drohen, meinte der Jurist weiter. Die Kosten und die Erfolgsaussichten, mit einem Bürgerzentrum voranzukommen, seien völlig unklar.

Die Lenkungsgruppe, der Bürger und Gemeinderäte angehören, kam daher zu der Ansicht, dass das Domo als Standort für einen Kultur- und Bürgertreff nicht weiter verfolgt werden solle. Anstelle dessen ziehe man jetzt wieder das ehemalige Gelände und das alte Gebäude der AOK in Betracht, gab der Kulturamtsleiter Zecha bekannt. Es soll nun eine Bauwerksprüfung in Auftrag gegeben werden. Sie kostet rund 80 000 Euro.

Fällt die Entscheidung im Juni?

Der vorläufige Zeitplan der Stadtverwaltung sieht so aus: Im Mai soll im Bauausschuss eine Grundsatzentscheidung in der Standortfrage gefasst werden. Im Juni wird sich der Gemeinderat noch einmal damit befassen und möglichst einen endgültigen Beschluss fällen. Wenn dem so ist, ist noch vor der Sommerpause eine Informationsveranstaltung für die Bürger geplant.

Das letzte Wort in der Standortfrage ist jedoch nicht gesprochen. Andreas Knapp (FDP) meinte in der Gemeinderatssitzung zu wissen, dass mit einer Bauuntersuchungen am Domo lediglich eine Mehrheit der Eigentümer einverstanden sein müsse. Damit, die bisherigen Pläne nach dem Rechtsgutachten einfach ad acta zu legen, war er nicht einverstanden. Und auch der zu befürchtende Lärm könne kein Argument gegen das Domo sein, unterstrich Tobias Bacherle (Grüne). Früher sei dort schließlich eine Diskothek akzeptiert worden.

Die Fraktionen werden die Standortfrage nun noch einmal intern besprechen. Der Oberbürgermeister Bernd Vöhringer betonte: „Wir brauchen jetzt eine politische Entscheidung.“

Die Diskussionen um das Kultur- und Bürgerzentrum dauern schon Jahre

Domo
: Mit viel Tamtam ist der Bau am Corbeil-Essonnes-Platz in Sindelfingen im Jahr 1972 eröffnet worden. Das dortige Kaufhaus lockte die Kunden in Scharen an. Heute gilt der Betonklotz als Schandfleck. Für viele Bürger steht es für den Wahn, die Altstadt platt zu machen. Doch das Domo sollte einer der letzten Neubauten sein, für den jahrhundertealte Fachwerkhäuser fallen mussten. In dem Gebäudekomplex steht das einst dort betriebene Kaufhaus mit einer Fläche von 10 000 Quadratmetern seit Jahren leer. Seit 2014 wird darüber diskutiert, ob dort ein neues Bürgerzentrum eingerichtet werden könnte. Der Vorschlag kam von den Grünen.

Alte AOK
: Das ehemalige Gebäude der AOK an der Hanns-Martin-Schleyer-Straße nutzen derzeit noch Vereine. Es ist sanierungsbedürftig. Weil sich eine Renovierung aber wohl nicht mehr lohnt, soll es abgerissen werden. Auf der rund 3000 Quadratmeter Fläche könnte ein neues Kultur- und Vereinszentrum gebaut werden.

Projektbegleitung:
Um die Diskussion über den Standort des Bürgerhauses voranzubringen und möglichst viele einzubinden, wurde im Dezember 2016 eine Lenkungsgruppe gebildet. Sie besteht aus Vertretern des Gemeinderats und des Vereins Domo Novo, in dem sich Bürger für eine neues Kulturzentrum einsetzen.