Thilo Sarrazin hat ein islamkritisches Buch verfasst. Foto: dpa

Für viele renommierte Islamwissenschaftler ist der frühere Berliner Finanzsenator Sarrazin ein rotes Tuch. Mathias Rohe findet, mit seiner Sicht auf den Islam wäre Sarrazin „eine wunderbare Besetzung für’s Kuratorium des Salafisten-Verbandes“.

Berlin - Bestsellerautor Thilo Sarrazin malt in seinem neuen Islam-Buch das Schreckgespenst einer Islamisierung der deutschen Gesellschaft an die Wand. Der Islamwissenschaftler Mathias Rohe hält diese Kernthese von „Feindliche Übernahme, Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“ (FinanzBuch Verlag) für nicht haltbar. Sarrazin gehe in seinem Buch, das an diesem Donnerstag erscheint, fälschlicherweise davon aus, dass muslimische Zuwanderer ihre Einstellungen nicht veränderten, „dass sie sich gar nicht auf die deutsche Gesellschaft einlassen“, sagte Rohe der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Eine breit angelegte Untersuchung habe jedoch beispielsweise ergeben, dass die Ablehnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften unter Türken in der Türkei höher sei als unter türkischstämmigen Migranten in Deutschland. Auch ignoriere Sarrazin in seinen Prognosen zum künftigen Anteil der Muslime an der Bevölkerung Daten, die zeigten, dass die Geburtenrate muslimischer Zuwanderer durch Zugang zum Bildungssystem in den Folgegenerationen sinke.

Von Mohammed bis zu Abu Bakr al-Baghdadi

Nicht nachvollziehbar findet Rohe folgende Aussage Sarrazins: „Vieles deutet darauf hin, dass im Islam eine Tendenz zum Beleidigtsein und zum Sich-angegriffen-Fühlen angelegt ist, die mit unseren Begriffen von Meinungsfreiheit und Demokratie schwer vereinbar ist.“ Kritikwürdige Verhaltensweisen wie ein falsche Ehrbegriff und Elemente einer „Machokultur“ würden hier auf die Religion zurückgeführt. Dabei finde man diese teilweise auch bei Nicht-Muslimen in Indien oder Russland.

Sarrazin spannt in seinem Buch einen Bogen vom islamischen Propheten Mohammed bis hin zum Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Baghdadi. Er schreibt: „Den vom IS ausgeübten Terror sehen er (al-Baghdadi) und seine Anhänger als den neuen Dschihad. Historisch und religionsphilosophisch schließt sich hier ein Kreis.“ Aus Sicht von Rohe übernimmt Sarrazin damit die Koran-Auslegung der Terroristen. Der Islamwissenschaftler kommentierte nicht ohne Ironie: „Herr Sarrazin wäre eine wunderbare Besetzung für’s Kuratorium des Salafisten-Verbandes.“

Einschätzungen zum Islam seien dilettantisch

Das Buch sei auf „Angstmache“ angelegt, erklärte der Rechts- und Islamwissenschaftler von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Die Einschätzungen zum Islam zeugten von einem für Sarrazin üblichen „Dilettantismus“. Sarrazin wirft Rohe in seinem Buch seinerseits vor, er verschleiere und verharmlose „Missstände im deutschen Islam“.

Rohe hat unter anderem zum islamischen Recht („Scharia“) und zur Paralleljustiz unter muslimischen Migranten geforscht. Er berät als Experte den Verfassungsschutz.