Begabter Einzeltäter: Kevin Parker, der Kopf von Tame Impala Foto: Caroline/Universal

Reichlich Lorbeeren hat Tame Impala schon eingefahren. Jetzt legt die australische Band ein neues Album vor – und „The slow Rush“ zeigt wiederum viel Potenzial.

Stuttgart - Zur Gattung der Impalas zählen mit der Schwarzfersenantilope und dem Schwarznasenimpala nur zwei Arten. Buchstäblich von Kopf bis Fuß zeichnet sie also etwas Dunkles aus, was gewisse Parallelen zum Mastermind der australischen Band Tame Impala nahelegen könnte. Umgekehrt zählen die Tiere jedoch zu den Wiederkäuern, und dies ist wiederum ein Attribut, was man jenem Bandkopf Kevin Parker ganz gewiss nicht zuschreiben möchte.

Über den seltsamen Bandnamen könnte man daher den Kopf schüttelt, ebenso jedoch über den vergleichsweise bescheidenen Klang, den der Name Tame Impala trotz bereits rund fünf Millionen verkauften Tonträgern im Vergleich zu den Größen des Alternative- und Psychedelicrocks hat. Mindestens die Fachwelt jedoch ist längst überzeugt, der „Rolling Stone“ listete sie in der Rubrik „meisterwartete Alben des Jahres 2020“ neben Weltstars wie Bruce Springsteen, Pearl Jam, Morrissey und The Cure (letztere haben übrigens in den gesamten zehner Jahren kein Album veröffentlicht) auf.

In einem Atemzug mit den Großen

Und zwar zu Recht. „Innerspeaker“, das 2010 erschienene und von Dave Fridman (Flaming Lips) produzierte Debütalbum von Tame Impala, erzielte international zwar noch keine nennenswerte Resonanz (wenngleich sie schon damals als Vorband für MGMT und die Black Keys gebucht wurden), die beiden nachfolgenden Werke „Lonerism“ von 2012 sowie „Currents“ von 2015 dafür aber umso mehr. Lobpreis der Kritik allerorten, bejubelte Konzerte – zuletzt in Deutschland im vergangenen Jahr beim Southside-Festival –, Wahlen auf die Topränge der Alben des Jahres gab es für diesen Sechziger-Jahre-Psychedelic-Vintagesound („Lonerism“) ebenso wie für dessen Fortentwicklung hin zum filigranen Indietronic auf „Currents“.

Wie sieht also nun der nächste Entwicklungsschritt aus? Gut, wie das an diesem Freitag erscheinende vierte Album „The slow Rush“ zeigt. Wie üblich hat der Songschreiber, Sänger und Multiinstrumentalist Kevin Parker alles mehr oder weniger im Alleingang komponiert und eingespielt – in einem gemieteten Haus in Malibu, und zwar glücklicherweise weitestgehend, bevor auch er ein Opfer der verheerenden Brände dort wurde, ihm sein gesamtes Equipment abgefackelt ist und er nur seinen Laptop und eine Gitarre retten konnte.

Parker bedient sich dabei eines üppigen Genpools an Einflüssen: vom New Yorker Discobeat der sechziger und siebziger Jahre über den Signaturesound von Stevie Wonder bis zum klassischen Funk, vom schlichten Surfpop bis hin zu hochkomplex gefärbten Psychedelic-Klängen. Ähnlich vielschichtig ist demgemäß auch der Output auf den zwölf neuen Songs. Basis ist ein elektronisch dominierter Sound, mal verschleppt (ausgezeichnet etwa in „Tomorrow’s Dust, wo eine Melodie im Viervierteltakt auf einen synkopisch zuwiderlaufenden Beat trifft), mal durchaus tanzbar, grundiert von einer klaren Rhythmus-Sektion aus Schlagzeug und Bass, prägend instrumentiert mit Synthies, teils voll zulangend, teils sphärisch verzerrt, garniert mit Flöten- und Gitarrentönen. Darüber legt sich schließlich Parkers prägnant-saubere, allerdings auch sehr helle und hohe Singstimme, die in den Texten bisweilen dem eingangs erwähnten Hang zum Sinisteren nachgeben („Posthumous forgiveness“ etwa wendet sich an Parkers verstorbenen Vater), aber von einem eher freundlich gestimmten Grundduktus geprägt sind.

Gut, sehr gut, aber nicht herausragend

Das Ganze klingt musikalisch sehr gut, sehr ausgereift, sehr eigenständig und sehr einfallsreich. Und auf jeden Fall herausstechend aus vielem anderem, was in diesem Dunstkreis so veröffentlicht wird. Manchmal muss man jedoch an ein etwas überinstrumentiertes Ambientalbum denken, und so stellt sich die Frage, ob Kevin Parker mit Tame Impala und „The slow Rush“ tatsächlich eine Fortentwicklung vollzieht. Hört man daraufhin noch einmal den Vorgänger „Currents“, ergeben sich auf „The slow Show“ rhythmisch längst nicht so schöne Brüche, melodisch nicht ganz so feine Linienführungen und harmonisch nicht ganz so viele gewollte Reibungen. So gesehen knüpfen Tame Impala jetzt also gut, streckenweise sehr gut, aber dann leider doch nicht herausragend an das bisherige Werk an.