Rundfunkmoderatorin Barbara Scherrer am Esslinger Marktplatz. Foto: Max Kovalenko

Stuttgart war für sie keine Option, sagt die Radiomoderatorin Barbara Scherrer. Aber die schöne Altstadt von Esslingen: Dort lebt sie seit zehn Jahren. Nun erfüllt sich die 50-Jährige direkt am Marktplatz einen Herzenswunsch und eröffnet einen Wolleladen.

Stuttgart war für sie keine Option, sagt die Radiomoderatorin Barbara Scherrer. Aber die schöne Altstadt von Esslingen: Dort lebt sie seit zehn Jahren. Nun erfüllt sich die 50-Jährige direkt am Marktplatz einen Herzenswunsch und eröffnet einen Wolleladen.

Esslingen - Wenn Barbara Scherrer im SWR-1-Hörfunk Sendungen wie „Guten Abend, Baden-Württemberg“ oder „Der Nachmittag“ moderiert, ist sie nie auf den Mund gefallen. Richtig ins Schwärmen gerät sie aber, wenn es um Wolle geht. Feinste Alpaka-Wolle etwa, die auch für Tierhaarallergiker geeignet ist, oder Yak-Wolle oder Kaschmir . . . Da gibt es für Puristen Wolle, die nur mit Pflanzenfarben gefärbt ist, oder Naturgarne ganz ohne Farbe. Und im krassen Gegensatz dazu moderne Garne mit Effekt, mit Farbverlauf, mit Zotteln oder in grellem Neon.

All diese Varianten will Barbara Scherrer vom 1. Februar an in ihrem neuen Wolleladen anbieten – und vorher schon an einem Stand auf dem Esslinger Mittelalter- und Weihnachtsmarkt. „Denn jetzt ist ja Saison für Wolle“, sagt Scherrer. Die langen Abende sind aus ihrer Sicht perfekt geeignet, sich mit Häkel- oder Stricknadeln ans Werk zu machen. Das tun, wie sie in den vergangenen Jahren beobachtet hat, immer mehr Menschen. „Stricken ist total entspannend – wie Yoga“, findet die Rundfunkfrau.

Den neuen Boom, zu Strick- oder Häkelnadel zu greifen, bestätigt Sandra Veihl, Mitarbeiterin bei Wolle Rödel in Stuttgart. Das Stricken sei seit etwa drei Jahren wieder Trend und erfreue sich wachsender Beliebtheit. Das Häkeln kam im letzten Winter durch die Boshi-Mützen in Mode, die auch junge Männer für sich häkeln, sagt Veihl.

Seinen Boom erlebte der Wollemarkt in den 1980er Jahren – damals war Stricken total in. Bei Sitzungen, in der Straßenbahn und privat im Freundeskreis – überall klapperten Stricknadeln aneinander. Dann die Wende: Das Hobby war plötzlich out, viele Wolleläden mussten schließen, der Wollemarkt brach zusammen.

„Wolle ist einfach ein schöner Werkstoff, da geht einem das Herz auf“

Inzwischen ist das Interesse bei vielen (wieder) erwacht. Immer noch sind es vor allem Frauen, die häkeln und stricken. Einerseits solche im mittleren Alter, die aus Zeitmangel irgendwann aufgehört haben, Socken und Pullis selbst zu fertigen, jetzt aber wieder durchstarten wollen. Und dann die junge Generation: „Die machen nicht so die großen Teile, sondern Accessoires“, weiß Scherrer. Häkelkappen und -mützen sieht auch Barbara Scherrer im Trend – „gerne auch in Neonfarben“. Die Moderatorin jedenfalls will jedes Garn testen, bevor sie es verkauft: „Dann weiß ich, wie es sich strickt, ob man besser fester oder lockerer arbeitet.“ Als Pflicht sieht sie das nicht, sondern als Kür: „Wolle ist einfach ein schöner Werkstoff, da geht einem das Herz auf.“

Wer Lust bekommt, zu den Nadeln zu greifen, sich aber den Laien zurechnet, ist bei der 50-Jährigen richtig. Denn schon als Zwölfjährige hat sie bei ihrem ersten Pullover feststellen müssen, dass die Anleitung nicht stimmte. „Ich musste das dann umrechnen.“

Dieses Talent setzte Scherrer fortan häufig ein. Die Badenerin – sie ist in Karlsruhe geboren und in Freiburg aufgewachsen – hat schon für verschiedene Unternehmen Wolle eingekauft, Pullover entworfen, Anleitungen geschrieben und als Designerin gearbeitet. Sie war bei der Wollefirma Seiden und Garn und bei den Strickzeitschriften „Ingrid“ und „Diana“ bis sie 1991 in die Sparte Radio wechselte. Bei Radio Victoria machte sie ein Volontariat, weil ihr wöchentlich erscheinende Printmedien „zu langsam“ waren. Sie baute Antenne Sachsen mit auf und wurde von Radio Schleswig-Holstein nach Kiel abgeworben. „Das war ganz toll da“, resümiert sie über die Zeit und die Arbeit mit Stars aus der Musik- und Filmszene – bis zum Kaliber Kevin Costner.

Und während sie irgendwann sinnierte, ob es im Süden nicht doch schöner wäre, kam das Angebot vom damaligen SWF, zurückzukehren in die Heimat: Scherrer moderierte dann in Baden-Baden. Die Fusion des SWF und des SDR zum SWR und die Zwangsversetzung in den Raum Stuttgart gefielen ihr zunächst gar nicht. Doch Scherrer merkte schnell: „Die Vorurteile haben eigentlich die Badener, die Schwaben sind da entspannt und frotzeln halt.“ Über ihren ersten Wohnort Plochingen tastete sie sich in Richtung Esslingen vor. Jetzt wohnt sie zwei Gehminuten vom Marktplatz, wo sie bald Barbaras Scherrerei eröffnet. Das wird in einem der bekanntesten und markantesten Gebäude von Esslingen sein – dem Kielmeyerhaus (Marktplatz 2), in dem heute noch die Stadtinformation sitzt. Die wechselt im Januar in ein Nachbargebäude – und damit ist die Bühne frei für die Scherrerei.

Ein Drittel der Fläche des rund 100 Quadratmeter großen Ladens will die frischgebackene Unternehmerin für eine gemütliche Sitzecke nutzen. Beim Stricken tauchen schließlich Fragen auf. Wer will, kann dort die Maschenprobe stricken. Oder gemütlich bei Kaffee oder Wein mit anderen fachsimpeln. Und weil beim Stricken noch genügend Aufmerksamkeit zum Zuhören bleibt, plant Scherrer am Marktplatz auch Lesungen. Als erste Autorin lädt sie eine Freundin ein, die mit einem R 4 jüngst eine Reise nachholte, die in den 1980er Jahren geplatzt war.

Kollidieren wird der Wolleladen mit dem Job im Funkhaus nicht: Scherrer ist beim SDR freie Mitarbeiterin und verbringt die Freizeit in Esslingen. Wer trotz Anleitung resigniert, ist dort auch richtig: Scherrer strickt auch selbst für Kunden – etwa das Lieblingsmodell aus einer Zeitschrift.

www.scherrerei.de