In Oberriexingen wählen die Bürger am Sonntag nicht nur eine neue Bundesregierung, im 3000-Einwohner-Ort findet der erste Bürgerentscheid in der Geschichte der Kommune statt. Dabei geht es um Starkregenschutz – aber auch um Metzger im Ort.
Die Idee gibt es schon lange, jetzt wird es konkret. Am Sonntag entscheiden die Oberriexinger, ob sie den Bau eines Penny-Supermarktes und einer Bäckerfiliale am Ortsrand unterstützen. Die Befürworter der Wohnbau Oberriexingen und der Bäckerei Laier warben in den vergangenen Wochen für das „Projekt Steingrube“. Eine Bürgerinitiative warnt vor Gefahren. Die wichtigsten Themen und Argumente im Überblick:
1. Starkregenschutz
Die sogenannte Schutzgemeinschaft für den Erhalt der Steingrube warnt in erster Linie vor den Umwelteingriffen. Durch das Projekt wird Fläche versiegelt, die teilweise in einem Landschaftsschutzgebiet liegt. Der Bebauungsplan lasse zudem den Schluss zu, dass eine Bebauung das Klima im Ort aufheizen würde.
Die größte Sorge gilt jedoch möglichen Überschwemmungen. Das Starkregenmanagement der Stadt zeige, dass die angrenzende „Dürre Enz“ bei extremem Niederschlag zu einem reißenden Fluss anschwellen kann. Eine unbebaute Steingrube könnte Wasser aufnehmen und den Abfluss in den Ortskern verlangsamen.
Laut Kim Hasenhündl von der Wohnbau Oberriexingen hat eine Voruntersuchung ergeben, dass es keine naturschutzrechtlichen Bedenken gibt. Die Stadtwerke Bietigheim-Bissingen hätten zudem signalisiert, dass eine Bebauung trotz des Starkregenmanagements möglich wäre. Hasenhündl ist jedoch offen, wenn nötig, weitere freie Flächen für die Regenrückhaltung einzuplanen.
2. Nahversorgung
Das wichtigste Argument der Befürworter ist die verbesserte Nahversorgung. Mit einem Schlag würde ein Supermarkt, ein Bankautomat, eine Paketstation sowie ein Bäcker mitsamt Café entstehen. Markus Laier von der gleichnamigen Bäckerei betont die Bedeutung einer neuen Filiale. Die aktuelle im Ortskern sei zu klein, ohne Erweiterung müsste er sich komplett aus Oberriexingen zurückziehen, so das Schreckensszenario.
Die Bürgerinitiative sorgt sich auch um die Nahversorgung – aber um die bestehende. Der Penny-Markt am Ortsrand gefährde den Metzger, die Hofläden und den Tante-M-Selbstbedienungsladen im Ortskern. In Zukunft könnten für einige Oberriexinger Einkaufsmöglichkeiten in Laufweite wegfallen.
3. Ärzteversorgung
Über dem Penny-Markt sollen Arztpraxen entstehen, um die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Zwar habe er noch keine Interessenten in der Hinterhand, mit modernen Praxisflächen könnte man in den kommenden Jahren aber aktiv auf Haus- und Fachärzte zugehen, so Hasenhündl.
Die Bürgerinitiative hält dieses Argument für Augenwischerei. „Wir haben keinen Praxisraummangel, sondern einen Ärztemangel“, sagt Sprecher Stefan Kriso. Zudem sei man von den festgelegten Arztsitzen der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBW) abhängig. Eine Nachfrage bei der KVBW ergibt, dass aktuell keine einzige Facharztrichtung in Oberriexingen eine Praxis eröffnen könnte – Hausärzte hingegen schon.
4. Ländliche Entwicklung
Laut Hasenhündl geht es beim Projekt Steingrube auch um die Zukunft Oberriexingens. Die kleinste Stadt des Landkreises müsse sich weiterentwickeln, um für junge Familien attraktiv zu sein. Kein Supermarkt und kein Café bedeuten weniger Lebensqualität und weniger Zuzug. Das hat wiederum Auswirkungen auf die bestehenden Immobilienwerte im Ort, argumentiert der Projektentwickler.
Die Bürgerinitiative versperrt sich laut eigener Aussage nicht dem Fortschritt, weist aber auf mögliche Konsequenzen hin. Die Bürger müssten abwägen, ob ihnen ein Supermarkt und ein Café wichtiger sind als die bestehenden Läden im Ort und die Sicherheit vor Starkregenschäden.