EU will Konten sperren - noch hat der Mubarak-Clan Zugriff auf Vermögenswerte.

Kairo/Frankfurt - Der gestürzte ägyptische Präsident Hosni Mubarak soll während seiner 30-jährigen Amtszeit Milliarden veruntreut haben. Die EU will dem Mubarak-Clan den Zugriff auf das Vermögen verbieten - doch bis das Ganze greift, könnten die Konten geplündert sein.

Die neuen Machthaber in Ägypten sind fieberhaft auf der Suche nach jenen Milliarden, die das gestürzte Regime im Lauf der Jahrzehnte auf die Seite geschafft hat. In den Medien kursieren Berichte, wonach der Mubarak-Clan 40 bis 70 Milliarden US-Dollar angehäuft haben soll. Das Geld ist deponiert auf Konten der ganzen Welt oder in Immobilien und Firmenbeteiligungen geflossen.

Die Schweiz, bei Potentaten seit jeher als Geldversteck beliebt, hat auf Bitten von Kairo per Dekret bereits Konten von hochrangigen Vertretern des Mubarak-Regimes eingefroren. Laut einer Statistik der Schweizerischen Nationalbank beliefen sich die ägyptischen Guthaben bei Schweizer Banken im Jahr 2009 bei 3,6 Milliarden Franken (umgerechnet 2,28 Milliarden Euro).

Mubarak-Gelder auch in Deutschland?

Ob darunter tatsächlich Gelder des Mubarak-Clans sind, wollte Thomas Sutter, Sprecher des Schweizer Bankiervereinigung, gegenüber unserer Zeitung allerdings nicht bestätigen. "Die Sperrung ist eine rein vorsorgliche Maßnahme." Auch Deutschland wurde gebeten, die Konten von hochrangigen ägyptischen Regimevetretern zu sperren. Am Anfang der Woche bestätigte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ein entsprechendes Rechtshilfegesuch der ägyptischen Regierung an mehrere EU-Mitgliedsstaaten - darunter auch Deutschland. Dabei ist nach Angaben des Auswärtigen Amt keineswegs gesichert, dass der Mubarak-Clan überhaupt Gelder in Deutschland angelegt hat. Es geisterten diverse Zahlen herum, die seien aber nicht seriös, heißt es in Berlin.

Der US-Finanzexperte Nicholas Shaxson sagt, dass das Regime ein leichtes Spiel hatte, das Land auszubeuten. Staatliche Großgeschäfte seien das Mittel zum Zweck gewesen. "Da werden Maschinen im Wert von einer Million Dollar gekauft, zwei Millionen werden gezahlt und die überschüssige Million auf ein Konto verfrachtet." Im Fall Mubarak sei es wahrscheinlich, dass sich diese Konten in Ländern befinden, die von den Familienmitgliedern oft und gerne aufgesucht wurden - Shaxson nennt Großbritannien, Singapur und Dubai.

In diese Reihe gehört auch Deutschland, wo sich Mubarak wiederholt zur medizinischen Behandlung aufgehalten hat. Wahrscheinlich ist, dass Mitglieder des Mubarak-Clans derzeit versuchen, an die Gelder heranzukommen. Gut möglich, dass sie dabei erfolgreich sind, denn bis die rechtlichen Voraussetzungen für eine Kontensperrung geschaffen sind, vergeht Zeit: Die Mühlen der Justiz mahlen langsam.

Am Ende entscheiden die Gerichte

"Normalerweise kann man in Deutschland aufgrund eines richterlichen Beschlusses oder bei Gefahr im Verzug - darüber entscheidet die Staatsanwaltschaft - Konten beschlagnahmen", sagt der Experte für internationales Finanzrecht der Kanzlei Salans, Mike Danielewsky. Er geht davon aus, dass ein Rechtshilfegesuch aus Kairo an die zuständige Staatsanwaltschaft geschickt wird. Solange darüber aber nicht entschieden sei, könne der Mubarak-Clan auf die Konten zugreifen. "Es wäre abwegig zu glauben, dass er das nicht wenigstens versuchen wird", so Danielewsky.

Zudem hat der Clan die Möglichkeit, vor Gericht zu ziehen, um sein Vermögen zu retten. "Guter Rechtsbeistand ist vor allem eine Frage des Geldes, und das kann Mubarak und seinesgleichen problemlos aufbringen", berichtet der britische Anwalt Tim Daniel gegenüber der Deutschen Welle: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sie einen viel größeren Geldbeutel haben als die, die hinter ihnen her sind", beklagt Daniel, der eng mit der Anti-Korruptionsbehörde Transpareny International zusammenarbeitet.

Über das EU-Recht kann der Justizweg über ein förmliches Rechtshilfegesuchen abgekürzt werden. Danielewsky verweist dabei auf den Artikel 29 des EU-Vertrags. Auf dieser Grundlage wurde in den EU-Mitgliedsstaaten bereits das Vermögen des gestürzten tunesischen Machthabers Ben Ali und seiner Frau eingefroren - eine Maßnahme, die nicht im Rahmen deutschen Strafprozessrechts durchgeführt wurde. In dem EU-Beschluss heißt es, dass "gegen Personen restriktive Maßnahmen ergriffen werden, die für die rechtswidrige Verwendung staatlicher Gelder verantwortlich sind und damit das tunesische Volk um den Ertrag der nachhaltigen Entwicklung seiner Wirtschaft und Gesellschaft bringen und die Entwicklung der Demokratie im Land untergraben". Tatsächlich hatte der Clan der Präsidentengattin politische Schlüsselpositionen besetzt und sich hemmungslos bereichert.

Ein ähnlicher Text ist nun im Fall Ägypten zu erwarten - die Runde der EU-Außenminister wird sich am Sonntagabend und Montag mit dem Thema Ägypten befassen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts erklärte gegenüber unserer Zeitung: "Das wäre eine politische Sanktion, die dann in eine verbindliche EU-Verordnung gegossen würde." Die Finanzbehörden in den einzelnen Ländern wären dann gehalten, einen derartigen Beschluss umzusetzen. Die Gefahr, dass der Mubarak-Clan nun noch Gelder in Sicherheit bringt, wollte der Sprecher nicht ausschließen. Der derzeit beschrittene Weg sei aber "der Schnellste".