Die Fußball-WM 2006 war ein Stimmungsaufheller im Land. Dies erwartet Dehoga-Geschäftsführer Jochen Alber auch von der EM. Die Zahl der Gastrobetriebe steige in Stuttgart wieder. Die Corona-Welle der Schließungen, zeige die Statistik, sei gebrochen.
Frühlingsgefühle, so scheint es, breiten sich in der Stuttgarter Gastronomie aus. Mit der Sonne sind Energie und Motivation zurückgekehrt, die gute Laune oft auch, weil es wieder besser läuft nach den harten und zermürbenden Corona-Jahren. Viele Gastronomen in der Innenstadt machen gerade, berichtet Jochen Alber, der Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) in Stuttgart, ein „erfreulich gutes Geschäft“.
An vielen Orten brummt es, worüber sich Alber freut. Am Abend ist es beispielsweise nicht leicht, an den Gaststätten des Wilhelmsplatzes einen freien Platz zu ergattern. Ohne Reservierung kommt man in vielen Restaurants spontan gar nicht mehr zum Zug. Wer flexibel und kreativ genug sei, ideenreich und über ein gutes Gefühl verfüge für das, was nachgefragt werde, könne nun „positive Umsätze“ machen, sagt der Dehoga-Geschäftsführer – die Fußball-EM werde die Zuversicht noch weiter beflügeln.
„Im Kommunalwahlkampf sollte die Politik nicht alles schlechtreden“
Nach Gesprächen mit zahlreichen Wirtinnen und Wirten unterstreicht er: „Die Innenstadt ist nicht so unattraktiv, wie dies oft dargestellt wird.“ Der Dehoga-Geschäftsführer ruft die Politik dazu, im Kommunalwahlkampf „nicht alles schlecht zu reden“, sondern gemeinsam mit Gastronomie, Handel und Kultur „nach konstruktiven Lösungen für eine noch lebenswertere Innenstadt zu suchen“. Es bestehe Grund dazu, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Zufriedene Wirte lockten zufriedene Gäste an – schlechte Stimmung dagegen bremse die erfreuliche Entwicklung aus. Ziel sei es, Gäste aus nah und fern davon zu überzeugen, nach der EM wieder zu kommen
Den positiven Eindruck, den Jochen Alber beim Rundgang durch gut besuchte Restaurants in der Stuttgarter City gewinnen konnte, unterstreichen die neuen Zahlen seines Verbandes. Seit Ende der Pandemie steigt demnach die Zahl der steuerpflichtigen Gastrobetriebe in Stuttgart wieder. Vor Corona im Jahr 2019 gab es hier 1481 Restaurants, Bars, Cafés etc. Dann kam es wegen Covid 2020 zu zahlreichen Schließungen und Insolvenzen, es konnten nur noch 1286 gezählt werden.
Im Jahr 2022 hat die Wende in Stuttgart eingesetzt: Die Zahl stieg auf 1332 Betriebe. Dieser Trend setze sich 2023 und im ersten Quartal 2024 fort, sagt Alber, sodass er nun gegenüber unserer Redaktion sagen kann: „Die Corona-Welle der Gastroschließungen ist gebrochen.“
Für Baden-Württemberg legt der Dehoga folgende Zahlen vor: Im Jahr 2022 erzielten 26.979 steuerpflichtige Betriebe (das sind 5,9 Prozent mehr als im Jahr) des Gastgewerbes in Baden-Württemberg 12,9 Milliarden Euro Nettoumsatz (das ist ein Plus von 45,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Der durchschnittliche Nettojahresumsatz aller Betriebe lag demnach bei etwa 481.000 Euro.
Besorgniserregend sei laut Alber jedoch der Rückgang beim realen Umsatz im Frühjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dies sei auf die zum Jahreswechsel gestiegene Mehrwertsteuer zurückzuführen, mit der das Gastgewerbe massiv zu kämpfen habe.
Wieder mehr Beschäftigte und Azubis in der Gastronomie
Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Gastgewerbe steigt wieder. Hierfür liegen auch für dieses Jahr schon Daten vor: Im Januar 2024 waren 3,3 Prozent mehr beschäftigt als im Vergleichszeitraum. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten stieg um 9,3 Prozent. Auch die Zahl der Auszubildenden hat sich nach den pandemie-bedingten Rückgängen im Jahr 2023 deutlich verbessert. „Zum Jahresende 2023 lag die Zahl mit 5839 Auszubildenden um 17,1 Prozent höher als ein Jahr davor“, teilt der Dehoga mit.
Weiter heißt es im Bericht des Verbandes: „Der Verbraucherpreisindex Baden-Württemberg lag im Januar 2024 gegenüber dem Vorjahresmonat bei einem Plus von 3,2 Prozent. Die Preise für Energie (Strom, Gas, andere Brennstoffe) nahmen um 0,4 Prozent und die Warenkosten um 2,8 Prozent zu.“ Damit sind die Preise nicht in dem Maße explodiert, wie man dies, nicht zuletzt wegen der Rückkehr zu den alten Steuersätzen, erwartet hatte.
Auch im Hotelgewerbe geht es aufwärts. Die Zahl der Beherbergungsbetriebe in Stuttgart liegt bei 222 – vor Corona waren es 225 und in der Pandemie 186.
Zwar kommt es weiter zu Betriebsschließungen in der Stuttgarter Gastronomie, doch die Zahl der Neueröffnungen ist seit der Pandemie wieder gestiegen, konstatiert Jochen Alber. In Zukunft dürfte die Attraktivität der gastronomischen Einrichtungen noch zunehmen. Der Dehoga-Geschäftsführer verweist auf die geplanten Neustarts im Kunstgebäude, im Grand Café Planie (wo das städtische Baurechtsamt nach 13 Monaten endlich die Baugenehmigung erteilt hat) sowie im Quartier Vier Giebel beim Tagblattturm.
Verbesserungen bei Bauverfahren und Arbeitsgenehmigungen gefordert
Auch wenn die Zeichen auf Erfolg stehen, sieht Alber noch Problemfelder, um die sich die Politik kümmern müsse. „Die Erreichbarkeit muss gewährleistet sein“, sagt Jochen Alber. Ein weiterer Abbau von Parkplätzen wirke kontraproduktiv. Außerdem müsse mehr für die Sicherheit getan werde, damit sich Gastrogäste ohne Unbehagen in der City bewegen könnten. Der dritte Punkt, den der Dehoga-Mann anspricht, betrifft das Ausländeramt der Stadt: Die Wartezeiten auf Arbeitsgenehmigungen seien viel zu lang.
Der FDP-Landtagsabgeordnete Friedrich Haag, der sich in einer Landtagsanfrage mit genau dieser Problematik befasst, fordert „die Beschleunigung von Bauverfahren“. Stadt und Land müssten bessere Rahmenbedingungen für die Gastronomie schaffen, damit es weiter aufwärts gehen könne. Die Sitzkiesel an der Markthalle seien das beste Beispiel dafür, warum Menschen nur ungern in die Innenstadt kämen. „Die Innenstadt muss mit allen Verkehrsmitteln gut erreichbar sein“, findet er.