Nokia-Firmenzeichen in Ulm. Der finnische Konzern verhandelt derzeit mit Alcatel-Lucent über einen Zusammenschluss Foto: dpa

Kommt es zu einer Elefantenhochzeit unter den Netzwerk-Ausrüstern? Bei einer Übernahme durch Nokia wären auch die derzeit 1200 Stuttgarter Mitarbeiter von Alcatel-Lucent betroffen.

Stuttgart - Der finnische Netzwerk-Ausrüster Nokia will durch eine Fusion mit dem französischen Rivalen Alcatel-Lucent Marktführer in der hart umkämpften Branche werden. Die Konzerne seien in „fortgeschrittenen Gesprächen“, teilten sowohl Nokia als auch Alcatel-Lucent mit. Einem Insider aus dem Präsidentenamt zufolge sollten Nokia-Chef Rajeev Suri und Alcatel-Lucent-Boss Michel Combes kurzfristig mit dem französischen Präsidenten François Hollande zusammenkommen. Zusammen würden die beiden Firmen zu einem Goliath im Netzwerkgeschäft werden und beim Umsatz die Marktführer Ericsson aus Schweden und Huawei aus China übertreffen. Die Zahl der Kunden gilt Analysten als Wettbewerbsvorteil, da der Kampf um Marktanteile derzeit stark über den Preis ausgetragen wird.

Alcatel-Lucent und Nokia zufolge ist ein Aktiendeal im Gespräch. Allerdings betonten beide Unternehmen auf ihren Webseiten, dass der Ausgang der Gespräche noch völlig offen sei.

Die Verhandlungen überraschen die Mitarbeiter in der Deutschland-Zentrale von Alcatel-Lucent in Stuttgart kaum. „Spekulationen gibt es seit über einem Jahr immer wieder“, sagt ein Mitarbeiter des Mobilfunkbereichs unserer Zeitung. Er möchte anonym bleiben. „Die Beschäftigten sehen die Verhandlungen entspannt. Schließlich haben wir schon viel erlebt.“

Tatsächlich hat das französische Unternehmen, das aus der Fusion mit dem amerikanischen Anbieter Lucent entstand, turbulente Jahre sich. In den vergangenen Jahren gab es mehrere Sparrunden. Die jüngste – „Shift Plan“ genannt – wurde vor einigen Jahren eingeläutet. Die Mitarbeiterzahl weltweit schrumpfte bis Ende 2014 von 70 000 auf 53 000. In Deutschland ging die Zahl der Beschäftigten bereits von 1900 auf derzeit rund 1800 zurück, bis Ende des Jahres sollen es noch 1650 Arbeitsplätze sein. Die Deutschland-Zentrale in Stuttgart zählt dann noch 1100 Mitarbeiter.

Wurde die Stuttgarter Mobilfunk-Sparte für eine Übernahme aufgehübscht?

Besonders stark ist in Stuttgart der Mobilfunkbereich von den Sparmaßnahmen betroffen. Von den einst gut 400 Stellen soll Ende des Jahres noch rund die Hälfte übrig sein. „Hier herrscht fast schon Galgenhumor“, sagt ein Mitarbeiter. Zudem herrsche eine Frage vor: Hat das Unternehmen von langer Hand geplant, mit den Stellenstreichungen den Mobilfunk für den Verkauf aufzuhübschen? „Ich würde mit Ja antworten.“

Dem Finanzdienst Bloomberg zufolge ist die Fusion von Nokia und Alcatel-Lucent nur eine der Verhandlungsvarianten. In der zweiten könnte Nokia lediglich das Mobilfunkgeschäft von Alcatel-Lucent übernehmen. Hier gilt der französische Netzausrüster als höchst innovativ. Der Standort Stuttgart ist zum Beispiel auf die Technik der Small Cells spezialisiert. Das sind kleine Funkzellen, die große ergänzen und die Übertragung von mobilen Daten erhöhen. Außerdem wird in den Bell-Labs, die 160 Mitarbeiter zählen, an einem neuen Mobilfunkstandard geforscht. Dieser ist notwendig, um auch künftig mobile Daten schnell und sicher übertragen zu können.

Allerdings machte die französische Regierung laut Medienberichten bereits deutlich, dass sie ein Mitspracherecht und Garantien für das Geschäft von Alcatel-Lucent haben wolle. Das dürfte einen Deal erschweren. Denn die aktuellen Größenverhältnisse von Nokia und Alcatel-Lucent machen Sparmaßnahmen nach einem Zusammenschluss sehr wahrscheinlich. Nokia hatte Ende 2014 rund 55 000 Mitarbeiter und erwirtschaftete zuletzt einen Umsatz von 12,7 Milliarden Euro. Der Umsatz von Alcatel-Lucent betrug zuletzt 13,2 Milliarden Euro.

Die Mitarbeiter kann so schnell nichts mehr schockieren

Derzeit schwanke die Stimmung der Stuttgarter Belegschaft zwischen Ungewissheit und Neugier, sagt Jordana Vogiatzi von der IG Metall Stuttgart, die zu vielen Beschäftigten Kontakt hat. Die Verhandlungen würden aber den wenigsten schlaflose Nächte bereiten – zu viele Sparrunden hätten die meisten schon hinter sich. „Was soll die Mitarbeiter jetzt noch schockieren?“