Kundenberatung gehört dazu: Yaman Asaad Albakri (rechts) und sein Schwager Said Nouri verkaufen deutsche und syrische Produkte in der Bauernstraße. Foto: factum/Granville

In einer ehemaligen Bäckerei haben syrische Flüchtlinge einen Lebensmittelmarkt eröffnet. Sie verkaufen Waren aus ihrer Heimat. Für alte Ditzinger sind sie ein Anker.

Ditzingen - Die feierliche Eröffnung des Lebensmittelmarkts in der Bauernstraße steht noch aus, doch schon jetzt hat Yaman Asaad Albakri wenigstens zwei Stammkunden. Beide sind dem 39-Jährigen gleichermaßen wichtig. Ein 93-Jähriger macht sich jeden Morgen mit seinem Rollator auf den Weg, um die Tageszeitung zu kaufen. Und eine Dame – der Syrer schätzt sie auf um die 50 – lehrt ihn täglich ein anderes deutsches Wort.

Flucht über Dubai

Es ist Leben in der ehemaligen Bäckerei Bofinger, fünf Minuten Fußweg von der Ortsmitte entfernt. Zuletzt hatte der kleine Laden leer gestanden. Nun reihen sich hier syrische Auberginen an Eier aus der Region, syrische Bohnengerichte an frische Brötchen vom örtlichen Bäcker. An der Kasse liegen verschiedene Tageszeitungen.

„Aus welchem Regal sind die Eier?“, fragt Yaman Asaad Albakri die Frau, die an der Kasse ihren gut gefüllten Einkaufskorb leert. Große oder kleine Eier? immer aber seien es „Eier von glücklichen Hühnern“, wie ein Plakat vor dem schmalen Eingang wirbt. Die nächste Kundin spricht Albakri auf arabisch an, es folgt ein Gespräch, danach eine freundliche Verabschiedung.

Weder er, noch die Kunden lassen sich davon abhalten, dass Said Nouri währenddessen ein Regal in der Ladenmitte aufbaut. Albakri und sein Schwager betreiben den Laden gemeinsam. Gleichwohl: die treibende Kraft ist der 39-jährige Familienvater, der vor gut zwei Jahren aus Dubai nach Deutschland kam.

Albakris Vater sei einst aus politischen Gründen von Syrien nach Dubai geflüchtet, erzählt er. Die auch für den Sohn befristete Aufenthaltserlaubnis in den Emiraten wurde stets verlängert – bis vor zwei Jahren. Ein Grund war wohl, dass die Golfstaaten in der Flüchtlingskrise keine Geflüchteten mehr aufnahmen. Albakri und seiner Familie blieb nur eine weitere Flucht: „Nach Syrien konnte ich nicht zurück.“

Über Mannheim kamen sie nach Ditzingen, zunächst in eine Flüchtlingsunterkunft. Dort aber den Tag mit Nichtstun zu verbringen, das konnte Albakri nicht. „Ich kann nicht so leben“, wiederholt der Mann, der in Dubai Chef eines Franchiseunternehmens war und sich nun in seiner neuen Heimat engagiert: Beim Arbeitskreis Asyl ist er als Dolmetscher im Einsatz, beim Charity Bike Cup war er Helfer, mit anderen bewachte er die Installation, die anlässlich des Lichtkunstfestivals der Kulturregion vor zwei Jahren die Kirche in der Ortsmitte illuminierte.

Viele Unterstützer

Gemeinsam mit seinem Schwager sei er dann irgendwann auf die Idee gekommen, einen Lebensmittelmarkt zu eröffnen, erzählt Albakri. Ausgangspunkt war die eigene Situation. „Jeden Freitag gibt es in Syrien Bohnen zum Frühstück.“ Die Idee wurde immer konkreter. Im Businessplan legte er schließlich dar, dass im Umkreis von fünf Kilometern – von Stuttgart-Weilimdorf bis Leonberg 3000 Syrer lebten, die keine Möglichkeit hatten, ihre heimischen Produkte zu kaufen. Albakri bezieht diese nun vom Großhändler.

Bei der Umsetzung konnte Albakri auf die Unterstützung des Arbeitskreises (AK) Asyl, der Stadtverwaltung und der Vermieterin der Ladenräume setzen. Albakri musste wie jeder, der den Sprung in die Selbstständigkeit wagt, durch die Mühlen der Bürokratie. Jobcenter und IHK hießen zwei Stationen. Dieter Heuser vom AK Asyl begleitete ihn dabei. Heuser hat selbst beruflich lange im Ausland gelebt. Er schließt nicht aus, dass die Begleitung zu den Ämtern hilfreich für Albakri war. Vielleicht half es ihm auch, dass er fließend Englisch spricht, dass er ein guter Netzwerker ist. Vielleicht, so vermuten es andere, habe seine Freundlichkeit viel bewirkt. Freundliche Worte hat er nun für seine Kunden.