Caro beim Spielen mit den Kindern Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Ein Projekt der Eva will Menschen mit geistiger Beeinträchtigung eine neue Berufsperspektive eröffnen. Sie werden als Kita-Assistenten qualifiziert. Caro aus Stuttgart hat die Chance ergriffen. Was bringt ihr das? Und was der Kita?

Wer hat Lust, mit Magneten zu bauen? Drei Dreijährige und eine Sechsjährige scharen sich um Caro. Die junge Frau hockt sich auf den Teppich und baut mit. So entsteht ruckzuck ein großer Turm – Quatsch, ein „Hochhaus“ natürlich. Als sie das Dach bauen, findet die Sechsjährige, dass Caro ein Teil falsch angelegt hat und bessert es aus. Danach wird das Dach aber eh wieder abgerissen. Die Kinder und die 25-Jährige befüllen ihr Haus mit Duplo. Schwer zu sagen, wer mehr Spaß daran hat.

 

Caro, die nur mit Vornamen erscheinen will, arbeitet seit Oktober in der Kita Eva-Lino in der Forststraße. Sie wird hier zur Kita-Assistentin qualifiziert und ist als solche regulär angestellt. Die junge Stuttgarterin profitiert als eine der Ersten von einem neuen Projekt, mit dem die Eva Kinderbetreuung gGmbH Menschen, die eine geistige Behinderung oder eine Lernbeeinträchtigung haben, neue Chancen eröffnen will – abseits der Werkstatt für Menschen mit Behinderung.

Viele Nachfragen nach Arbeit in der Kita

Die Idee zum Projekt hatte Katrin Winter, die Geschäftsführerin von Eva-Lino. Sie hatte in der Eingliederungshilfe bei einem Werkstattträger gearbeitet und sich dort um die Personalentwicklung gekümmert. Immer wieder habe sie mit jungen Leuten zu tun gehabt, die „in die Kita“ wollten, um mit Kindern zu arbeiten, denen dieser Weg aber versperrt blieb. Wenn, dann konnten sie in einer Kita nur in der Hauswirtschaft arbeiten. Gleichzeitig sah sie den Entlastungsbedarf für Erzieherinnen in den Kitas.

Winter konnte mit ihrem Antrag die Aktion Mensch überzeugen, das Qualifizierungsprojekt „Inklusion leben“ über drei Jahre zu fördern, auch Evas Stiftung schoss Mittel hinzu. Acht Frauen und Männer haben mit dem Programm im Herbst begonnen. Eine Person hat abgebrochen, weil ihr aufging, dass sie sich im geschützten Rahmen der Werkstatt sicherer fühlt, die übrigen stehen nun kurz vor dem Abschluss.

„Wie schön, dass du das alles machst hier“

Was machen die Kita-Assistenten konkret? Caro unterstützt die Erzieherinnen inzwischen bei vielen Tätigkeiten. „Ich traue mich immer mehr“, sagt sie selbst. Sie hilft beim An- und Ausziehen der Kinder rund um Ausflüge oder wenn es in den Garten geht. Sie wechselt Wickelkindern die Windel, was sie sehr häufig mache, weil sich die Kinder aussuchen könnten, wer sie wickelt – und sie da besonders beliebt ist. Sie begleitet die Kinder in der Ruhephase, bietet sich beim Freispiel als Spielpartnerin an und macht inzwischen auch eigene pädagogische Angebote. Zuletzt hat sie die Vorschulaufgaben betreut – „ich habe vorgelesen, sie haben gemalt“: Maus, Igel, Haus, solche Worte. Sind Erzieherinnen krank, springe sie auch mal in der Gruppe ein. Erst an diesem Morgen habe ihr eine Kollegin gesagt: „Wie schön, dass du das alles machst hier.“ Das hat Caro gefreut. Gerade in stressigen Situationen – und da gehöre das An- und Ausziehen dazu – entlasteten die Kita-Assistenten, aber „mit Wissen dahinter“, so die Projektleiterin Pina Schultze. Sie zieht ein „durchweg positives Fazit“ am Ende des ersten Durchlaufs der Qualifizierung.

Foto: Lichtgut//Max Kovalenko

Die meisten haben eine geistige Behinderung

Die meisten Teilnehmenden haben eine geistige Behinderung, eine Person zum Beispiel hat das Downsyndrom. Bei Caro liegt es anders, sie hatte schon immer Schwierigkeiten mit dem Lernen. Ihre Schulzeit hat sie sehr negativ in Erinnerung – wie im Übrigen die anderen auch. Sie hat das Gefühl, in den Monaten der Qualifizierung mehr gelernt zu haben als früher in Jahren. „Du bist so riesige Schritte gegangen“, lobt Schultze ihre Schülerin. Caro habe sich anfangs nicht getraut, sich zu beteiligen. Heute sei sie die Erste, die sich melde. „Man merkt, dass du Spaß hast.“

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Pina Schultze leitet mit zwei Kolleginnen den Theorieunterricht, der einmal die Woche stattfindet – in leichter Sprache vermitteln sie pädagogisches Wissen und Grundlagen. Weil ein Teilnehmer nur schlecht lesen und schreiben kann, setzen sie auch Hörmaterial ein. Und sie bieten Raum für Austausch über Dinge, die gut und die nicht so gut laufen. Im November, als noch alles neu war, hatten zum Beispiel viele über Stress geklagt. Das Ziel sei, dass alle „als Unterstützung in die Kitas kommen“. Laut der Leiterin der Kita in der Forststraße, Diana Cosic, ist das in ihrem Fall gelungen: „Wir nehmen ganz viel mit aus dem Projekt“, sagt sie. Für sie sei das Ganze „ein Gewinn“. Zumal es ihnen wichtig sei, Inklusion zu leben und eine Umwelt zu schaffen, in der sich jeder wohlfühlt, ob groß oder klein. Die Eltern fänden es zudem „super gut“, dass sie mitmachten.

In manchen Kitas gab es Vorbehalte

Diana Cosic war von Anfang an offen war für das Projekt. Das war nicht bei jedem so. „Da gibt es schon noch Barrieren“, sagt Karin Winter. Als sie Einrichtungen für die Teilnahme gewinnen wollten, schlugen ihnen auch Befürchtungen entgegen, dass das Projekt keine Entlastung, sondern Mehrarbeit bedeuten könnte nach dem Motto: „Habe ich dann auch noch ein erwachsenes Kind, um das ich mich kümmern muss?“ Natürlich gehöre Anleitungsarbeit dazu, aber es lohne sich. Das Engagement in den teilnehmenden Einrichtungen sei sehr groß, betont Winter.

In Caros Fall ist es besonders gut gelaufen. Sie hatte nach ihrer Schulzeit schon drei Jahre in der Hauswirtschaft einer Kita als Praktikantin gearbeitet. Ihre jetzige Tätigkeit passt aber besser zu ihr. „Ich mag Kinder“, sagt sie – und die Kinder mögen sie. Umso mehr freut sie, dass es für sie weitergeht. Sie wird im April übernommen. „Caro ist Teil des Teams“, sagt Diana Cosic. Und das soll auch so bleiben.

Man muss nicht lesen und schreiben können für die Teilnahme

Voraussetzung
Menschen, die an der Qualifizierung teilnehmen wollen, müssen keinen Schulabschluss nachweisen und auch nicht lesen und schreiben können. Sie sollten aber schon ein Praktikum in einer Kita gemacht haben, also über Vorerfahrungen verfügen, um einschätzen zu können, ob man sich die Arbeit in einer Kita tatsächlich vorstellen kann. Nicht nur Eva-Lino-Kitas sind beteiligt, sondern auch Kitas von anderen Trägern, unter anderem Element-i und Pasodi. Nicht alle zahlen nach Tarif wie Eva-Lino, ein Teil der Kita-Assistenten erhalten stattdessen ein Taschengeld. Der zweite Durchgang startet im Mai, bislang gibt es 13 Interessenten. Mehr Informationen per E-Mail unter inklusion.leben@eva-lino.de.

Anerkennung
Am Ende der sechs Monate langen Qualifizierung stehen eine praktische und eine mündliche Prüfung. Von Eva-Lino gibt es ein Trägerzertifikat für die Teilnahme. Das Programm ist aber bisher nicht vom Regierungspräsidium offiziell anerkannt – laut den Verantwortlichen der einzige Wermutstropfen.