Ein Bild aus besseren Tagen: Der VW-Aufsichtsrat hat am Montag beschlossen, den in U-Haft sitzenden Rupert Stadler zumindest vorübergehend als Audi-Lenker abzulösen. Foto: AFP

Wegen Verdunkelungsgefahr ist der Audi-Chef Rupert Stadler in Untersuchungshaft genommen worden. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft hat Stadler schon von mehr als zwei Jahren von der Abgasmanipulation gewusst. Die soll eine E-Mail belegen.

München - Der Audi-Vorstandschef Rupert Stadler ist am Montag verhaftet worden. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München 2 in Sachen Dieselskandal gegen die VW-Tochter Audi erreichen damit einen neuen Höhepunkt. Wegen Verdunkelungsgefahr hat die Justiz nun zum bislang schärfsten Mittel bei der Aufklärung gegriffen und Stadler in U-Haft nehmen lassen.

Stadlers Posten könnte vorläufig der Niederländer Bram Schot übernehmen, hieß es. Am Abend konnte sich der VW-Aufsichtsrat allerdings zunächst auf keine Personalentscheidung einigen. „Die Aufsichtsräte von Volkswagen AG und Audi AG haben heute noch keine Entscheidung getroffen und prüfen die Sachlage weiterhin“, teilte ein Sprecher des VW-Aufsichtsrates schriftlich mit. Insidern zufolge wird an diesem Dienstag entschieden.

Eine Ermittlungsrichterin hatte die U-Haft laut Staatsanwalt Stephan Necknig angeordnet. Es gebe konkrete Hinweise, dass Stadler geplant habe, Beweismittel verschwinden zu lassen beziehungsweise sich mit Zeugen oder anderen Beschuldigten abzusprechen. Über seinen Anwalt habe der 55-Jährige mitgeteilt, dass er zu einer Aussage noch diese Woche bereit sei.

Vernehmung soll spätestens am Mittwoch beginnen

Spätestens am Mittwoch soll Stadlers Vernehmung beginnen. Falls er kooperiere und sachdienliche Hinweise zur Aufklärung der Dieselaffäre mache sowie eine Verdunkelungsgefahr entkräften kann, könne er wieder freigelassen werden, erklärte Necknig. Andernfalls könne U-Haft auch über mehrere Monate hinweg aufrechterhalten werden. Der ehemalige Porsche-Vorstand und frühere Chef der Audi-Motorenentwicklung, Wolfgang Hatz, sitzt wegen der Dieselaffäre in München seit September 2017 in U-Haft.

Stadler ist in seiner Ingolstädter Privatwohnung festgenommen worden. Sein Anwalt wollte vorerst keine Stellungnahme abgeben. Die Konzernmutter VW und Audi reagierten auf die Verhaftung des Topmanagers mit einem Verweis auf die Unschuldsvermutung, wollten sich wegen der laufenden Ermittlungen aber nicht weiter äußern. Der turnusmäßig bei VW in Wolfsburg zeitgleich tagende Aufsichtsrat musste sich zwangsweise mit der Causa Stadler befassen. Es sei dem Aufsichtsgremium auch klar, dass eine U-Haft lange dauern kann und ein Manager in dieser Zeit seine Geschäfte nicht ausüben kann.

„Heute ist die Mär der Autoindustrie endgültig in sich zusammengefallen, beim Abgasskandal handle es sich nur um die Verfehlung einzelner Ingenieure“, sagte der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Es werde immer klarer, dass das Tricksen und Betrügen in den Konzernen von ganz oben mindestens toleriert, wenn nicht sogar angeordnet worden sei.

Letzteres werfen die Münchner Ermittler Stadler dem Vernehmen nach nicht vor. Gegen ihn und einen weiteren amtierenden Audi-Vorstand wird seit Ende Mai wegen Betrugs und mittelbarer Falschbeurkundung ermittelt. Stadler soll nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft und entgegen seiner bisherigen Beteuerungen schon vor gut zwei Jahren von der Abgasmanipulation gewusst, aber den Verkauf von Audi-Dieselmodellen mit Betrugssoftware in Europa dennoch nicht unterbunden haben. Dafür will die Justiz eine Mail als Beweismittel gefunden haben. Interne Untersuchungen bei Audi hatten zuvor nichts Belastendes gegen Stadler zutage gefördert. Vorige Woche waren auch die Privatwohnungen von Stadler und seines Vorstandskollegen durchsucht sowie Dokumente sichergestellt worden.

Audi seit März 2017 im Fokus der Ermittler

Audi ist im März 2017 in den Fokus der Ermittler gerückt, es gab daraufhin eine Razzia am Firmensitz in Ingolstadt. Diesen Februar ist es zu weiteren Durchsuchungen in der Audi-Zentrale und im Werk Neckarsulm gekommen. Vorige Woche wurden dann die Privatwohnungen von Stadler und dessen Vorstandskollegen gefilzt.

Dieser Vorstandskollege ist nicht U-Haft genommen worden. Bei ihm bestehe keine Gefahr, dass er Beweise verschwinden lassen oder sich mit Zeugen absprechen will, erklärte die Staatsanwaltschaft. Dieser Vorstand und Stadler sind die beiden einzigen Mitglieder des Audi-Vorstands, die nicht 2017 im Zug eines großen Managementumbaus im Nachgang der Dieselaffäre ausgewechselt wurden.

Es gab schon öfter Spekulationen zur Ablösung Stadlers

Auch über Stadler hatte es schon öfter Spekulationen zu einer nahenden Ablösung gegeben. Stadler steht seit elf Jahren an der Spitze von Audi. Für den neuen VW-Boss Herbert Diess ist er nun endgültig zur Belastung geworden. Diess will VW in eine neue und elektrifizierte Zukunft führen sowie die Altlasten des Dieselskandals hinter sich lassen. Die Verhaftung Stadlers macht ihm da einen Strich durch die Rechnung. Den Skandal am Leben hält auch der Umstand, dass Audi die Überprüfung der eigenen an Dieselmotoren auf illegale Abschaltvorrichtungen immer noch nicht beendet hat. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hatte zuletzt zudem Rückrufe für mehrere Audi-Dieselmodelle verordnet – weitere drohen dem Vernehmen nach.

Die Ingolstädter VW-Tochter gilt als eine wesentliche technologische Keimzelle für den konzernweiten Abgasskandal. Audi hat Dieselmotoren mit Schummelsoftware nicht nur für den eigenen Bedarf entwickelt. Die anrüchigen Aggregate wurden auch in VW- oder Porsche-Modellen verbaut. Audi allein soll in den USA und Europa rund 220 000 Dieselautos mit illegaler Abschaltvorrichtung in den Verkehr gebracht haben.

Kritik von Opposition: Bundesregierung hat kläglich versagt

Fast drei Jahre nach Bekanntwerden des Abgasskandals, der auch auf den Stuttgarter Daimler-Konzern überzugreifen droht, habe es weder VW noch die Branche geschafft, einen klaren Schnitt zu machen, kritisierte Krischer. „Es ist gut, dass nun wenigstens Staatsanwälte versuchen, den größten Industrieskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte strafrechtlich aufzuarbeiten, wo die Bundesregierung kläglich versagt hat“, sagte Krischer.

Die Staatsanwaltschaft München ermittelt in Sachen Audi gegen 20 Personen. Dazu kommen weitere verdächtige Spitzenmanager aus dem VW-Konzern, die von Ermittlungen der Staatsanwaltschaften Braunschweig und Stuttgart betroffen sind.