Die Faustregel von Experten lautet: „Wer seinen Impfpass verloren hat und sich nicht mehr an seine Pertussis-Impfung erinnern kann, sollte zum Arzt.“ Foto: dpa

In der Region Stuttgart ist die Zahl der Keuchhustenfälle nicht angestiegen – Experten raten dennoch zur Auffrischung der Impfung.

Berlin/Stuttgart - Bundesweit wird vor der Keuchhusten-Welle gewarnt. Erst am Mittwoch vermeldete das Robert-Koch-Institut einen neuen Höchststand: Rund 22 000 Bundesbürger hätten sich mit der bakteriellen Infektion angesteckt. Doch zumindest der Südwesten scheint von der aktuellen Entwicklung der Pertussis, wie der Keuchhusten medizinisch genannt wird, verschont zu sein: „Aktuell haben wir nur wenige Meldungen vorliegen“, sagt Kerstin Gronbach vom Gesundheitsamt Stuttgart. Wie es im Februar aussehe, könne man momentan nicht abschätzen. Im vergangenen Jahr allerdings gab es allerdings tatsächlich mehr Fälle als sonst im Raum Stuttgart: 248 Meldungen listete das Gesundheitsamt 2016 auf – in den Vorjahren waren es in der Regel weniger als 100 pro Jahr gewesen.

„Nicht jeder hartnäckige Husten ist gleich auch eine Pertussis.“

Ist die Keuchhusten-Welle also schon wieder vorbei – oder sind noch Ausläufer zu erwarten? Bislang können Mediziner hierzu nur Vermutungen äußern. Der Vorsitzende der Ärzteschaft in Stuttgart, Markus Klett, warnt aber vor zu vorschnellen Prognosen: „Nicht jeder hartnäckige Husten ist gleich auch eine Pertussis.“ So können solche Reizhusten-Anfälle, die sich über Wochen halten, auch aus einer Virus-Infektion entstehen. Insbesondere wenn die Betroffenen zuvor über typische Erkältungsbeschwerden geklagt haben – wie beispielsweise Schnupfen und Halsschmerzen. „Oft kann die Infektion sich in den Atemwegen weiter ausbreiten und die Bronchien befallen.“

Die Bronchien, so erklärt der Stuttgarter Experte, sind der Teil der Atemwege, der sich an die Luftröhre anschließt und sich in immer kleinere Ästchen verzweigt. Auch hier kann sich die Muskulatur, die sogenannte Bronchialmuskulatur, so verkrampfen, dass es zu heftigen, trockenen Hustenattacken kommen kann, die dem Keuchhusten sehr ähnlich sind. Gerade jetzt, zur Hochzeit der Grippesaison, habe er viele solche Fälle in seiner Praxis gehabt, so Klett.

Doch egal, was den hartnäckigen Husten ausgelöst hat – eine ärztliche Abklärung sei in jedem Fall wichtig, so Markus Klett. „Denn auch bei einer viralen Infektion kann sich eine eitrige Bronchitis, eine Rippfell- oder gar eine Lungenentzündung entwickeln, die unbedingt medizinisch behandelt werden sollte.“

Eine durchgemachte Infektion schützt nur einige Jahre vor einer weiteren Ansteckung

Ein Blick in den Impfpass lohnt sich aber in jedem Fall, sagt Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin. Eine Impfung gegen die Pertussis ist grundsätzlich empfehlenswert und sollte immer wieder aufgefrischt werden. Denn: „Ein durchgemachter Keuchhusten schützt nur einige Jahre vor einer weiteren Ansteckung.“ Hinzu kommt, dass der Impfschutz nur drei bis fünf Jahre hält: Selbst wer als Kleinkind komplett durchgeimpft wurde, sollte als Jugendlicher die Immunisierung auffrischen. Für Erwachsene empfiehlt es sich, bei der nächsten Tetanus-Diphterie-Impfung, den Schutz gegen Keuchhusten erneuern zu lassen. Glasmacher gibt folgende Faustregel: „Wer seinen Impfpass verloren hat und sich nicht mehr an seine Pertussis-Impfung erinnern kann, sollte zum Arzt.“

Es braucht einen Monat, um gegen Keuchhusten immun zu sein

Bis zu einem Monat dauert es, bis der Impfschutz sich voll entwickelt hat und man erst einmal gegen den Erreger immun ist, sagt Michael Buhl vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene am Uniklinikum Tübingen. Ob dies für die Keuchhusten-Welle noch reicht, vor der das RKI warnt, könne man nicht absehen. Fakt sei aber: „Je mehr Personen sich impfen lassen, umso besser funktioniert der Herdenschutz.“ Was besonders für Säuglinge wichtig sei. Denn bei ihnen ist das Risiko für schwere Komplikationen am höchsten, sehr selten kommt es zu einem tödlichen Verlauf.

So funktioniert die Keuchhustenimpfung

Wann wird geimpft?

Impfzeitpunkt: Die Grundimmunisierung beginnt im Alter von zwei Lebensmonaten. Es folgen drei weitere Impfungen im Alter von drei, vier, sowie zwischen 11 und 14 Monaten. Auffrischimpfungen erfolgen bei Kindern einmal im Alter von fünf bis sechs Jahren und einmal im Alter von 9 bis 17 Jahren. Erwachsenen wird einmalig zu einer Pertussis-Impfung geraten.

Impfstoff Die Impfstoffe sind Totimpfstoffe – sie enthalten nur einige Bestandteile des Erregers. Es wird mit Kombinationspräparaten geimpft, die auch vor Wundstarrkrampf (Tetanus), Diphtherie und Kinderlähmung (Polio) schützen.

Nebenwirkungen Häufig kommt es an der Einstichstelle zu Rötung, Schwellung und Schmerzen, gelegentlich auch zu Schwellungen umliegender Lymphknoten. Grippeähnliche oder Magen-Darmbeschwerden können ebenfalls vorkommen. Bei Erwachsenen waren gelegentlich muskelkaterähnliche Beschwerden und Muskelschwellungen zu beobachten. Allergische Reaktionen sind sehr selten.