Verordnet Zweygart einen Expansionskurs: Neuer Geschäftsführer Erich Steiner Foto: /Stefanie Schlecht

Vor Kurzem feierte das Handelsunternehmen mit Sitz in Gärtringen 150-Jahr-Jubiläum. Unter neuer Schweizer Führung stehen die Zeichen auf Expansion.

Erich Steiner versprüht gute Laune. Der Geschäftsführer des Traditionsunternehmens Zweygart bittet zum Gespräch in den Besprechungsraum der Zentrale am Ortseingang von Gärtringen. Vom vierten Stock des markanten elliptischen Gebäudes reicht der Blick bis zum Schönbuch und bei klarer Sicht bis an die Alb. Die Alpen, unüberhörbar Steiners Heimat, sind nicht zu sehen. Macht nichts: Im Gespräch über seine neue Position als Geschäftsführer des schwäbischen Fachhandelsunternehmens sprüht der Schweizer vor Tatendrang und Enthusiasmus.

 

„Wir wollen in unserem bestehenden Markt expandieren“, sagt er. Zweygart, bei Handwerkern in der Region bekannt, will im 150. Jahr seines Bestehens behutsam wachsen. Der runde Geburtstag markiert außerdem eine Zäsur in der Unternehmensgeschichte: Anfang dieses Jahres wurde der Fachhändler mit seinen über 150 Mitarbeitern verkauft.

Die Lakeshore International Management AG mit Sitz in Luzern war seit 2012 mit fünf Prozent an Zweygart beteiligt; im Januar übernahm sie die verbleibenden 95 Prozent vom vormaligen Inhaber Aloysius Staub, der mit dem Werkzeughersteller Augusta-Heckenrose verbunden ist. Zweygart vertreibt Werkzeuge und Handwerkerbedarf auf drei Wegen: Einerseits über seine sechs Fachmärkte, von denen sich fünf im Südwesten befinden: Ehningen, Tübingen, Nürtingen, Achern und Ulm. Nach der Übernahme des Fachmarktes von Heller und Köster 2009 entstand ein weiterer in Olpe.

Neben den Handwerker-Märkten liefert Zweygart seine 700 000 Artikel umfassende Produktpalette von Akkuschrauber bis Zangenschlüssel über das Internet sowie über seine Außendienstler direkt. Damit zu wachsen soll gelingen mit der neuen Inhaberschaft im Rücken. Auf ihrer Homepage schreibt die Lakeshore: „Durch gezielte Investitionen in vielversprechende Unternehmen streben wir nachhaltiges Wachstum an.“ Zu weiteren Beteiligungen zählten Immobilien- und Finanzgesellschaften, heißt es dort weiter. Lakeshore berät Firmen außerdem bei Nachfolgeregelungen oder anderen Formen der Übernahme. Als neuer Geschäftsführer bei Zweygart wurde im Juli 2023 der 54-jährige Erich Steiner eingesetzt. Zuvor war Steiner Geschäftsführer bei einer Baugenossenschaft in Hessen, davor lange tätig im Bereich Kunststoffverarbeitung, Verpackung und Maschinenbau.

Erfahrung in Logistik

Zentrale in Gärtringen /Stefanie Schlecht

Sein Hauptaugenmerk legt er auf die Logistik und das Einkaufserlebnis – beides soll deutlich an Qualität gewinnen. „Trotz aller Digitalisierung gilt: Der Mensch tickt analog“, sagt er. Auf seine Zweygart-Strategie übersetzt bedeutet dies, dass er die Fachmärkte kundenfreundlicher gestalten will. Dort kauften zwar zu 70 Prozent Profi-Handwerker ein und nur zu 30 Prozent Privatkunden. Doch beiden sei gemein, dass sie großen Wert auf Service und Zuverlässigkeit legen. Also will Steiner die Sortimente stärker an den Bedarfen der Kunden ausrichten. Steiner: „So ein Fachmarkt soll nicht nur dem reinen Einkauf dienen, er kann auch für Events oder zum Netzwerken genutzt werden“, sagt er. In Ehningen habe er bereits damit begonnen.

Sortimente gehen in die Tiefe

Was unterscheidet Zweygart von den Endkunden-Märkten wie Hornbach, OBI und Co.? „Wir gehen in den Sortimenten viel mehr in die Tiefe“, sagt Steiner. Heißt aber auch: Die Breite der großen Baumärkte bietet Zweygart bei Weitem nicht an – im Geschäft. Von den Marken im Programm biete Zweygart allerdings das komplette Sortiment zur Lieferung an. Außerdem verlängert manch ein Hersteller über Zweygart als Servicepartner die Garantie. Dies sind Leistungen, die auf den Baustellen im Umkreis von 20 bis 30 Kilometern gefragt seien, die Zweygart als sein Einzugsgebiet betrachtet.

Neben dem Fachmarkt in Ehningen betreibt Zweygart noch fünf weitere in Deutschland /Stefanie Schlecht

Im Logistik- und dem Servicebereich sieht Steiner noch Luft nach oben. „Unser Service muss auf Teufel komm raus perfekt sein“, sagt er. Hinter dem Online-Shop zw24.de stecke eine komplexe Lieferlogistik, die Steiner besser in den Griff bekommen wolle. Da gehe es um zügige Zustellung ebenso wie um eine möglichst unkomplizierte Abwicklung. Als drittes Standbein im Vertrieb beliefert Zweygart seine Abnehmer direkt. Zu den Kunden gehört nicht zuletzt die hiesige Industrie, Mercedes-Bänder bestückt Zweygart ebenfalls.

Bisher wuchs der Händler über Zukäufe. So geschehen anno 1993 über die Integration der Firma Stehle in Tübingen, 1996 die Übernahme von EWH in Nürtingen oder 2003 Nonnenmacher und Mehl in Ulm. Steht etwas vergleichbares wieder bevor? „Natürlich schauen wir uns auf dem Markt um, aber es muss Sinn machen“, sagt Steiner. Potenzial sieht er außerdem noch im Bereich der intelligenten Schließsysteme und Sicherheitstechnik. Das Segment wachse stark, die Nachfrage ziehe immer mehr an.

Zweygart in Zahlen

Gegründet
 wurde das Unternehmen vor 150 Jahren: 1874 eröffnet Richard Zweygart in Böblingen eine Kolonialwarenhandlung. Der Lebensmittelbereich wurde im Jahr 1928 ausgegliedert.

Umsatz
 Exakte Zahlen gibt das Unternehmen nicht bekannt, doch der Geschäftsführer Erich Steiner nennt eine Größenordnung von 50 bis 60 Millionen pro Jahr in Deutschland. Zur Gruppe gehören noch die Bergin Werkzeugmärkte in Österreich mit weiteren grob 30 Millionen Euro Umsatz.

Mitarbeiter
Derzeit beschäftigt Zweygart 150 Personen, sagt Steiner. Zählt man noch die österreichische Schwester hinzu, beschäftigt die Gruppe in Summe 220 Mitarbeiter an 13 Standorten.