Der Versuch, Zeichen zu setzen: Teilnehmer des ersten Flüchtlingsgipfels am 13. Oktober vergangenen Jahres im Neuen Schloss in Stuttgart Foto: dpa

Die Planungen für einen zweiten Flüchtlingsgipfel im Juli werden konkret. Die Themen: zusätzliche Aufnahmeplätze, beschleunigte Asylverfahren und die Frage, wie Flüchtlinge schneller in Arbeit kommen.

Stuttgart - Als Ministerpräsident Winfried Kretschmann im vergangenen Oktober Vertreter von Kommunen, Kirchen und der Wirtschaft zu einem Flüchtlingsgipfel ins Neue Schloss nach Stuttgart lud, erweckte dies den Argwohn der Opposition: Das Treffen drohe eine reine „Showveranstaltung“ ohne konkrete Ergebnisse zu werden, kritisierte der CDU-Landeschef Thomas Strobl.

Nun, acht Monate später, regte CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf eine Neuauflage des Flüchtlingsgipfels an. „Wir sollten uns zusammensetzen“, sagte er am Wochenende bei einem Empfang für ehrenamtliche Flüchtlingshelfer in Stuttgart. Es sei Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass die Stimmung in der Bevölkerung angesichts steigender Flüchtlingszahlen nicht kippe.

Die Reaktion des Staatsministeriums folgte prompt. „Ein völlig richtiger Gedanke“, sagte ein Regierungssprecher. Angesichts „der sich dramatisch verändernden Situation“ habe man selbst auch schon daran gedacht. Nach der jüngsten Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) werde in diesem Jahr in Baden-Württemberg mit bis zu 54 000 neu ankommenden Flüchtlingen gerechnet. Bis zum 17. Juni waren es bereits rund 20 000. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Jahr zählte man rund 25 600 Menschen, die in Baden-Württemberg einen Antrag auf Asyl stellten.

Einrichtung in Meßstetten beherbergt aktuell rund 1400 Flüchtlinge

Eine Folge: Die Landeserstaufnahmeeinrichtungen (LEA) in Karlsruhe, Mannheim (Zweigstelle), Ellwangen und Meßstetten sind restlos überfüllt. Die bis 2016 befristete Einrichtung in Meßstetten beherbergt aktuell rund 1400 Flüchtlinge; ausgelegt ist sie auf 1000. Insgesamt stehen offiziell 8000 Plätze in LEAs und Ausweichquartieren, sogenannten bedarfsorientierten Einrichtungen (BEAs), zur Verfügung.

Eine weitere Folge: In der Bevölkerung machen sich nach den Beobachtungen der Landesregierung stellenweise „eine gewisse Skepsis und Ernüchterung“ breit – wenngleich die Aufnahmebereitschaft weiterhin erfreulich hoch sei.

Auf diese Entwicklungen will die Landesregierung jetzt mit der Neuauflage des Flüchtlingsgipfels reagieren. Die Gipfel-Agenda zeichnet sich bereits ab: Um die Landeserstaufnahmeeinrichtungen zu entlasten, sollen zusätzliche Aufnahmeplätze geschaffen werden. „Wir brauchen sicher mehr Platz“, sagte ein Regierungssprecher am Montag auf Anfrage. Damit verbindet sich ein Appell an Institutionen, Aufnahmeplätze bereitzustellen.

Die Unterbringung der Flüchtlinge muss auch aus Sicht von CDU-Spitzenkandidat Wolf ein zentrales Thema des Gipfels sein. Er verweist darauf, dass mehr als die Hälfte der Flüchtlinge aus den Westbalkanstaaten kommen. Ihre Anerkennungsquote liege unter einem Prozent. Ihnen müsse schon in ihrer Heimat deutlich gemacht werden, „dass ein Asylverfahren erfolglos sein wird“. Asylbewerber ohne Bleiberechtsperspektive sollen in den Landeserstaufnahmestellen verbleiben und gar nicht mehr die Stadt- und Landkreise erreichen“, fordert der CDU-Politiker. Damit würden die Kommunen entlastet.

„Die Menschen warten zu lange“

Die Landesregierung drängt ihrerseits auf eine Beschleunigung der Verfahren. „Es geht nicht nur um zusätzliche Plätze, es muss auch mehr Dynamik in die Landeserstaufnahmeeinrichtungen kommen“, sagt der Regierungssprecher. „Die Menschen warten dort zu lange.“ Spätestens innerhalb von drei Monaten müsse das Verfahren abgeschlossen und anschließend die abgelehnten Bewerber abgeschoben werden.

Eine Beschleunigung der Verfahren hängt von der Zahl der BAMF-Mitarbeiter ab. Bundesweit kommen in diesem Jahr 750 Stellen hinzu, 2016 weitere 1000. Ein Modellprojekt an der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe sei erfolgreich abgeschlossen worden, sagte der Regierungssprecher: Die Bearbeitungsdauer der Asylanträge habe sich dort auf wenige Wochen verkürzt – unabhängig davon, dass die Betroffenen Widerspruch einlegen können.

Nach Auskunft des Sprechers wird sich der Gipfel auch mit Anliegen der Wirtschaft beschäftigen. Die Landesregierung unterstütze den Wunsch, dass Flüchtlinge die Möglichkeit haben sollten, frühzeitig eine Arbeit aufzunehmen, sagte er. Das gilt auch für die Forderung nach einer Duldung von Asylbewerbern, die eine Ausbildung antreten entsprechend der Formel drei plus zwei (drei Jahre Ausbildung, zwei Jahre Beruf).

Zurückhaltend reagiert das Staatsministerium auf die Aussage des CDU-Spitzenkandidaten Wolf, das Land solle die Bundesmittel für die Flüchtlingsunterbringung vollständig an die Kommunen weitergeben. Man tue alles dafür, die Kommunen zu entlasten, sagte der Regierungssprecher. Andererseits hätten sich die Kosten des Landes innerhalb von nur vier Jahren verelffacht – von 30 auf 330 Millionen Euro. Trotz Rücklagen sei man sei „nicht mehr weit von der Neuverschuldung entfernt“.

Kirchliche Vertreter reagierten mit mahnenden Worten: Der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, äußerte auf Anfrage die Erwartung, „dass die Teilnehmer des zweiten Gipfels noch deutlicher als bisher zu einer gemeinsamen Beurteilung der Situation und zu einem gemeinsamen Bündnis für Flüchtlinge finden“. Man müsse auch sehr offen und transparent über die Schwierigkeiten und Herausforderungen sprechen. Noch deutlicher wurde Irme Stetter-Karp, die Leiterin der Hauptabteilung Caritas: „Als Verantwortliche für Flüchtlingsfragen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart erwarten wir vom Flüchtlingsgipfel einen nüchternen Blick auf die Entwicklungen der letzten Monate.“ Zunehmend kämen Rückmeldungen, dass Ehrenamtliche sich nicht ausreichend von der Politik unterstützt sehen würden: „Neben den erneut gestiegenen Wartezeiten für die Traumabehandlungen ist die belastende Situation der Flüchtlingskinder bisher zu wenig im Blick.“