Ein Stuttgarter weiß, wo das Zum Zum war. Foto: Tom Hörner

Eine Stadt will schwelgen. Zum Online-Hype ist die Facebook-Gruppe „Du weißt, dass du aus Stuttgart bist, wenn...“ geworden. Im Minutentakt werden Stuttgart-Erinnerungen gepostet.

Eine Stadt will schwelgen. Zum neuen Online-Hype ist die nicht mal neue Facebook-Gruppe „Du weißt, dass du aus Stuttgart bist, wenn...“ geworden. Im Minutentakt werden Stuttgart-Erinnerungen gepostet.

Stuttgart - Was ist, wenn du im Herzen immer noch aus 7000 Stuttgart 40 kommst und nicht aus 70439? Oder wenn du immer die erste Schulstunde geschwänzt hast, um in Bernd’s Lädle zu gehen? Was ist, wenn du bei Ficker nur an eines denkst – an den Kauf von Stinkbomben im gleichnamigen Scherzartikelladen an der Sophienstraße? Ist doch klar, was dann ist. Dann weißt du, dass du aus Stuttgart bist.

Schon vor zwei Jahren hat Chris Fleischhauer, Programmchef von Regio-TV, der regelmäßig im Internet die Ziehung der Lottozahlen moderiert, nach dem Vorbild anderer Städte bei Facebook die Gruppe „Du weißt, dass du aus Stuttgart bist, wenn . . .“ gegründet. „Die Gruppe ist monatelang vor sich hin gedümpelt“, sagt der 31-Jährige, „hier und da hat mal jemand was geschrieben – nicht viel ist passiert.“ Doch seit einer Woche geht’s ab.

Nahezu im Minutentakt wird Lustiges, Originelles, Banales und Vergessenes gepostet. Was hat diesen Hype ausgelöst? „Die Leute fingen plötzlich an, immer mehr Erinnerungen zu posten“, berichtet Fleischhauer, „und die haben so viele Anhänger angesteckt, dass allein in fünf Tagen über 4000 neue Mitglieder zur Gruppe hinzugestoßen sind.“

Es ist der berühmte Schneeball, der immer größere Dimensionen annimmt. Eine Stadt ist ganz scharf drauf, sich zu erinnern. Vor allem Menschen im Alter von 40 plus tun es.

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Du weißt, dass du aus Stuttgart bist, wenn . . .

 . . . du in der Bhagwan-Disco abgezappelt hast und um 24 Uhr unterbrochen wurdest, weil die Jünger in Rot ihrem Guru gelobten.

. . . du die lange Kinonacht im Kinocenter Marienstraße mit „Zurück in die Zukunft“ Teile 1, 2, und 3 bis morgens um fünf mitgemacht hast und beim Rauslaufen kaum durch den McDonald’s-Müll auf dem Boden gekommen bist.

. . . du mal der glücklichste Mensch der Welt warst, weil dich Buddy in der Boa an der Schlange vorbei reingewinkt hat.

 . . . du nachts im Sillenbucher Bädle geschwommen bist und nackt vor der Polizei fliehen musstest.

. . .  du im Königshof um 22 Uhr auf der Toilettenschüssel gestanden bist, weil die Türsteher ihre Runde gemacht haben, um die unter 16-Jährigen rauszuschmeißen.

. . . du sechs Monate kein Eis sehen konntest, weil du den Freundschaftsbecher im Mövenpick allein verdrückt hast.

Früher hatte man Träume – heute Erinnerungen. Die neu erwachte Heimatliebe sorgt im Netz für einen Boom bei Stuttgart-Themen. Die Lust auf die Beschäftigung mit der eigenen Stadt und ihrer Vergangenheit beschert dem Stuttgart-Album, dem Geschichtsprojekt unserer Zeitung, eine gewaltige Resonanz. Es gibt bereits den ersten Nachahmer: Die „Ostsee-Zeitung“ hat das Konzept übernommen und mit dem Hinstorff-Verlag das „Rostock-Album“ gegründet.

Auf der Du-weißt-Seite werden viele Fotos aus dem Stuttgart-Album gepostet. Die Highlights wiederholen sich. Breuninger-Mineralbad, Freitreppe Kleiner Schlossplatz, Zum Zum etc. Was ist für den Macher der Seite das Lieblingsstatement? Besonders schön fand Chris Fleischhauer dies: „. . . wenn du noch nie so viel Zeit auf einer Facebook-Seite verbracht hast wie auf dieser.“

Da hieß es immer, in Stuttgart sei nichts los. Und dann diese wilden Geschichten! Nur von heute wird kaum was gepostet.

Und so ist das nun: Du weißt, dass du aus Stuttgart bist, wenn . . .

 . . . es dir nicht mehr unangenehm ist, auswärts zu erwähnen, woher du kommst.