Jean-Claude Juncker ist neuer EU-Kommissionspräsident. Foto: AP

Jean-Claude Juncker hat die Abstimmung zum EU-Kommissionspräsidenten im Straßburger Europaparlament für sich entschieden. Der Luxemburger war im Vorfeld bereits als aussichtsreichster Kandidat gehandelt worden.

Jean-Claude Juncker hat die Abstimmung zum EU-Kommissionspräsidenten im Straßburger Europaparlament für sich entschieden. Der Luxemburger war im Vorfeld bereits als aussichtsreichster Kandidat gehandelt worden.

Straßburg - Der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (59) will mit einem ehrgeizigen Zehn-Punkte-Plan mehr Wachstum und Arbeitsplätze in der Europäischen Union schaffen.

Unmittelbar vor seiner Wahl zum Chef der wichtigsten EU-Behörde sagte Juncker am Dienstag vor dem Europaparlament in Straßburg, er halte private und öffentliche Investitionen in Höhe von 300 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren für möglich. Der einstige luxemburgische Regierungschef versprach Vorschläge zur Verbesserung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. "Europa braucht eine breit aufgestellte Reformagenda", sagte er.

Der Christsoziale Juncker wurde mit 422 von 729 abgegebenen Stimmen für die kommenden fünf Jahre zum Nachfolger des bisherigen Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso gewählt. Er bekam vor allem die Stimmen von Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen. Gegen ihn stimmten 250 Abgeordnete, die anderen Stimmzettel waren leer oder ungültig. 22 Abgeordnete nahmen an der Abstimmung nicht teil. "Ich kann mir eine breitere Zustimmung als die, die ich heute bekommen habe, eigentlich nicht vorstellen", sagte Juncker. Seine Amtszeit beginnt im November.

Juncker sagte, die 300 Milliarden Euro seien durch kluge Nutzung der EU-Strukturfonds und durch die Instrumente der Europäischen Investitionsbank (EIB) zu mobilisieren. Es gehe um Infrastrukturprojekte, den Ausbau der Breitbandtechnik und um Energienetze: "Wir brauchen eine Reindustrialisierung Europas."

"Es entsteht zur Zeit innerhalb der Grenze der EU ein 29. Staat", warnte Juncker. "Das ist der Staat, in dem die wohnen, die keine Arbeit haben, ein Staat, in dem jugendliche Arbeitslose wohnen, ein Staat, in dem Ausgeschlossene, Zurückgeworfene und Stehengebliebene leben." Er wolle, "dass dieser 29. Mitgliedsstaat wieder ein normaler Mitgliedsstaat wird".

Buhrufe aus den Reihen der Briten

Buhrufe gab es aus den Reihen eurofeindlicher Briten, als Juncker sagte, dass der Euro "Europa, seine Wirtschaft, und seine Bürger schützt". Juncker erinnerte an frühere Konflikte um Auf- und Abwertungen nationaler Währungen und sagte, ohne den Euro gäbe es "einen Währungskrieg" in Europa. Der EU-Gegner Nigel Farage von der britischen UKIP sagte, er werde gegen Juncker stimmen. Die Chefin der rechtsradikalen französischen Nationalen Front, Marine Le Pen, rief Juncker zu: "Ihre Macht ist illegitim, Sie tragen zum Unglück der europäischen Völker bei." Juncker antwortete: "Ich bedanke mich bei Ihnen dafür, dass Sie mich nicht wählen."

Dies sei ein historischer Tag, sagte der Fraktionssprecher der Liberalen Guy Verhofstadt. Erstmals werde der Kommissionspräsident auf der Grundlage des Wahlergebnisses gewählt. Früher habe das Parlament die Entscheidung der EU-Regierungen nur bestätigt. Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), sprach von einem "historischen Prozess". Mit den Spitzenkandidaturen habe das Parlament "eine fundamentale Richtungsänderung in den Strukturen der Europäischen Union erreicht". Schulz hatte sich als wichtigster Gegenkandidat mit dem zweitbesten Wahlergebnis zufriedengeben müssen.

Im Kreis der Regierungen war der Luxemburger umstritten. Ernannt wurde er in einer Kampfabstimmung gegen den entschiedenen Widerstand Großbritanniens und Ungarns. Kritisch äußerte sich der italienische Sozialdemokrat Gianni Pittella im Namen seiner Fraktion. Ein positives Votum für Juncker sei "kein Blankoscheck". Man werde sehr genau prüfen, ob die neue EU-Kommission ihre Zusicherungen zu sozialen Fragen auch umsetzen werde.

Juncker sprach sich vor dem EU-Parlament erneut für einen eigenen Haushalt der Euro-Zone aus. "Wenn es Staaten gibt, die besondere (Reform-)Anstrengungen unternehmen, dann müssen wir über finanzielle Anreize nachdenken, die diesen Prozess begleiten", sagte er. "Und wir müssen in diesem Fall auch über die Schaffung eigenen Haushaltskapazität für die Eurozone nachdenken."