„Ich will Jesus vom Kopf auf die Füße stellen“, sagt Milo Rau. Foto: picture alliance / Jörg Carstens

Der Schweizer Regisseur Milo Rau plant im süditalienischen Matera seinen nächsten Coup: „Das Neue Evangelium“ soll ein Remake des legendären Jesus-Films von Pasolini werden. Die Hauptrollen besetzt er mit Flüchtlingen, die er zur realen Revolte aufrufen will.

Stuttgart - Mit Theater jenseits aller Konventionen hat er sich einen Namen gemacht und jetzt sogar den Klerus überzeugt. „Milo Raus Kunst greift nach dem Leben, sie meint das Ganze“, hat der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler über das Projekt „Orestes in Mossul“ geschrieben, das der Regisseur im März in der ehemaligen Hauptstadt des „Islamischen Staats“ herausgebracht hat. Den Bischofs-Satz könnte man auch auf das „Lamm Gottes“ münzen, mit dem der Schweizer Theatermacher im Mai in Stuttgart gastierte: ein Gegenwart und Mythos genial verschmelzendes Menschen- und Gesellschaftspanorama, das aufs Tiefste berührt hat.

Nun wagt sich der 42-jährige Milo Rau, der im belgischen Gent das Nationaltheater leitet, an einen weiteren Mythos: ans Neue Testament. In Matera, wo die legendären Jesusfilme von Pier Paolo Pasolini und Mel Gibson entstanden sind, verfilmt er ab Ende August die Passion Christi unter dem Titel „Das Neue Evangelium“. Der Clou: die Rollen sind nicht nur mit Schauspielern von Pasolini und Gibson besetzt, sondern auch mit Flüchtlingen.

Jesus ist schwarz und kommt aus Afrika

Mit dem Aktivisten und Plantagenarbeiter Yvan Sagnet soll zum ersten Mal ein schwarzer Jesus vor der Kamera stehen, an der Seite von Enrique Irazoqui, Pasolinis Jesus von 1964, und Maia Morgenstern, die 2004 bei Gibson die Heilige Maria spielte. Bei öffentlichen Drehs in Matera, der Europäischen Kulturhauptstadt 2019, wird Jesus das Wort Gottes verkünden, bevor er gekreuzigt wird, um schließlich in Rom, der Hauptstadt des katholischen Christentums und Sitz einer ausländerfeindlichen Regierung, wieder aufzuerstehen. Das fürs inszenierte Wunder vorgesehene Datum: 10. Oktober.

Doch damit nicht genug. Parallel zum Pasolini-Remake möchte der interventionistische Rau „die humanistische Botschaft des Neuen Testaments ins Heute transformieren“, wie es in einer Mitteilung heißt. Im September startet mit einem Marsch aus Flüchtlingslagern die „Revolte der Würde“, angeführt vom Jesus-Darsteller Yvan Sagnet – und folgen sollen ihm Migranten, „die auf den Tomatenfeldern von der Mafia versklavt werden.“ Sein neues Großprojekt, sagt Rau, „wird Jesus vom Kopf auf die Füße stellen“ – und wenn nicht alles täuscht, ihn selbst zum Erlöser machen: mit einem Freiheits-Evangelium, das statt auf den Glauben auf die Tat setzt.