Ein neu gegründeter Verein mit Namen Quartiersgemeinschaft Tübinger Straße will den Handelsstandort nach vorne bringen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Ex-Citymanager Hans H. Pfeifer hat lange dafür gekämpft. Nun ist es soweit. Dank eines neuen Gesetzes können Eigentümer verpflichtet werden, sich an Maßnahmen der Quartiersentwicklung finanziell zu beteiligen.

Stuttgart - Die Stuttgarter Innenstadt soll schöner, sauberer, sicherer und attraktiver werden. Das wünschen viele. Aber meist sind es nur Lippenbekenntnisse. Anpacken wollen nur wenige. Doch in der Tübinger Straße machen die Eigentümer jetzt Ernst. Sie nutzen das 2015 vom Land erlassene Gesetz zur Stärkung der Quartiersentwicklung durch Privatinitiative – kurz GQP. Damit sind die Immobilienbesitzer im Gerberviertel die ersten im Land, die dieses Instrument in einer Innenstadt nutzen. Stuttgart ist insgesamt Vorreiter. Zuvor hatten 70 Eigentümer in Untertürkheim im September das GQP-Gesetz genutzt.

„Diese Initiative in der Tübinger Straße dürfte beispielgebend für ganz Baden-Württemberg sein“, sagt Wirtschaftsförderin Ines Aufrecht. Sie geht davon aus, dass die neu gegründete Quartiersgemeinschaft Tübinger Straße (QTS) „erfolgreich sein wird und dann hoffentlich Nachahmer findet“. Sowohl in Quartieren der Innenstadt als auch in den Bezirken.

Worum geht es den Eigentümern in der Tübinger Straße zwischen Paulinenbrücke und Torstraße eigentlich? Der QTS-Vorsitzende Peter Bürkle versucht es kurz zu machen und meint: „Wir wollen Fortschritte für das Quartier erzielen.“ Die Ziele des Fünfjahresplans sind umfangreich, also muss Rechtsanwalt Bürkle zu einem längeren Monolog ausholen: „Die angedachten Maßnahmen reichen von einer Installierung von Weihnachtsbeleuchtung, Verstärkung des Marketings, Inszenierung der Straßeneingänge über kostenloses WLAN oder mehr Events bis hin zum Kampf gegen Falsch- und Dauerparker.“ Kurzum: Diese Eigentümer fühlen sich der Stadt und dem Gemeinwohl verpflichtet.

Maßnahmen müssen mit der Stadt abgestimmt werden

Freilich müssen alle Maßnahmen mit der Stadt abgestimmt werden. Aber die Finanzierung kommt im Großen und Ganzen von den Eigentümern. Bisher sind zehn der 21 Eigentümer dieses Bereichs im Gerberviertel Mitglied. Aber selbst wenn sich der eine oder andere gegen eine Mitgliedschaft in der Quartiersgemeinschaft entscheidet – am Ende muss er bei den Maßnahmen mitmachen und mitzahlen. So will es das Landesgesetz. Bürkle nennt das einen „sanften Zwang auf die Trittbrettfahrer“ in der Stadt. Damit meint Bürkle Immobilienbesitzer, denen die Stadtentwicklung nicht am Herzen liege. „Wir haben tatsächlich damit zu kämpfen, an die Eigentümer zu kommen, weil sie entweder nicht in der Stadt leben oder kein Interesse an der Stadt haben“, sagt Ines Aufrecht, „daher ist es gut, dass wir sie nun mit ins Boot holen können.“

Nach anfänglichen Zweifeln hofft der Handelsverband, dass man so „endlich die Trittbrettfahrer integrieren kann“. Sascha Jost, beim Handelsverband für Projektmanagement zuständig, begrüßt die Initiative der Tübinger Straße und meint: „Dieses Quartier braucht das GQP eigentlich als letztes. Denn die Tübinger Straße steht im Vergleich zu anderen Quartieren gut da.“

Citymanagerin sieht Bedarf in der Calwerstraße und der Eberhardstraße

Damit trifft er den Nerv von Citymanagerin Bettina Fuchs. Denn bisher ist es ihr nicht gelungen, solche Initiativen beispielsweise für die Calwer Straße oder die Eberhardstraße anzustoßen. „Es wäre gut, wenn hier etwas gemacht werden würde“, sagt die Citymanagerin. Im Grunde wäre die Quartiersentwicklung durch Privatinitiative auf viele Bereiche in der City und in den Bezirken übertragbar. Zum Beispiel die Marktstraße in Bad Cannstatt, die Gablenberger Hauptstraße oder den Bismarckplatz. Genau das erhofft sich auch der Vorgänger von Bettina Fuchs. Hans H. Pfeifer gilt als der geistige Vater des GQP. In seiner Zeit als Citymanager hatte er die Strippen für die Umsetzung dieses Wurfs gezogen. Vorbild war Hamburg. „Dort hat ein Quartier vorgelegt, und viele andere haben nachgezogen“, sagt SPD-Stadtrat Pfeifer, „insgesamt hat es dort zu einem Trading-up-Effekt geführt.“ Gemeint ist: Die Handelsstandorte haben eine Aufwertung erfahren. In vielen Bezirken gibt es jedoch gegensätzliche Tendenzen. Trading down, wie der Fachmann sagt. Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) nennt es sogar eine „Abwärtsspirale“: „Geschäfte werden aufgegeben, Gebäude stehen leer, das Umfeld droht zu verwahrlosen, Eigentum verliert an Wert.“ Aus diesem Grund sieht auch Pätzold im GQP-Gesetz mehr Chancen als Risiken: „Es ist notwendig, die Kunden vor Ort zu halten und die Stadtteilzentren attraktiv zu machen. Nur so gelingt es, mit der Innenstadt oder den großen Einkaufszentren zu konkurrieren.“