Eine Kombination aus Tests auf dem Prüfstand sowie während der Fahrt auf der Straße soll künftig realistischere Abgaswerte liefern. Foto: AP

Europaweit sind vom 1. September an neue Testverfahren für den Ausstoß von Kohlendioxid sowie Schadstoffen vorgeschrieben. Die Hersteller bekommen allerdings eine Gnadenfrist.

Brüssel - Die „Schaufenster“-Werte sind ein alt bekanntes Ärgernis: Die Angaben, die Autohersteller zum Spritverbrauch machen, liegen um bis zu 40 Prozent unter den Werten im echten Leben. Doch ab heute ändert sich etwas: EU-weit werden neue Tests vorgeschrieben.

Was ändert sich bei den Testverfahren?

Ab 1. September gelten zwei neue Testverfahren. Eines misst den Ausstoß von Stickoxiden und Feinstaub unter realen Bedingungen bei der Fahrt auf der Straße. Dafür hat sich als Fachbegriff die Abkürzung des englischen Begriffes, RDE, eingebürgert. Bei dem zweiten Testverfahren geht es vor allem um den Kraftstoffverbrauch. Dafür hat sich der Fachbegriff WLTP eingebürgert. Dabei wird, weiterhin auf dem Prüfstand, aber unter realistischeren Bedingungen vor allem der Kraftstoffverbrauch gemessen. Die Betonung liegt auf „realistischer“: Während bisher der Verbrauch auf der Straße um 40 Prozent höher war als bei den auf dem Prüfstand gemessenen Werten, so soll es auch in Zukunft noch Abweichungen geben. Sie sollen aber kleiner sein als bisher.

Für welche Fahrzeuge gelten die neuen Testverfahren ?

Zunächst müssen nur Fahrzeuge die neuen Tests durchlaufen, für die Autohersteller eine neue Typzulassung bei den Zulassungsbehörden beantragen. Der Test wird also nur bei Fahrzeug-Typen vorgenommen, die ganz neu auf den Markt kommen. Ein neues Golf-Modell müsste ihn etwa noch nicht durchlaufen. Der aktuelle VW Golf fährt immer noch mit der Typgenehmigung aus den 70er Jahren. Erst ein Jahr später, also ab September 2018 müssen alle Neuwagen die Tests absolviert haben.

Warum liefert der neue WLTP-Test realistischere Werte?

Schätzungen gehen davon aus, dass das gleiche Auto mit dem neuen Test einen um 20 Prozent höheren CO2-Ausstoß hat. Der neue Test dauert länger. Es wird deutlich häufiger beschleunigt bis auf eine Geschwindigkeit von 130 Kilometer in der Stunde (km/h). Es wird später geschaltet. Das Auto ist längere Zeit in Bewegung. Lag bei dem alten Test die Durchschnittsgeschwindigkeit bei 33,6 km/h, so sind es jetzt 46,6 km/h. Damit ist auch mehr Energie nötig, um das Auto fortzubewegen.

Warum liefert der neue WLTP-Test immer noch nicht Werte wie auf der Straße?

Ein wichtiger Grund: Auch nach WLTP-Standard wird mit ausgeschalteter Klimaanlage gemessen. Sitzheizung und Klimaanlage können aber den Verbrauch nach oben treiben. Die Branche führt weitere Gründe für Abweichungen vom Labor- zum Straßenbetrieb an: So könne der individuelle Fahrstil zu höheren Verbräuchen führen. Auch die Strecke, viele Steigungen oder Kurven sowie die Beladung des Autos schlagen beim Verbrauch zu Buche.

Welche Bedeutung hat die Umstellung für die CO2-Grenzwerte, die die Hersteller einzuhalten haben?

Zunächst einmal keine. Durch geschicktes Lobbying haben die Hersteller durchgesetzt, dass die neuen Testergebnisse bei der Berechnung der Flottenverbräuche der Autohersteller noch nicht durchschlagen. Die EU hatte vorgeschrieben, dass die Hersteller im Jahr 2020 nur noch Fahrzeuge zulassen dürfen, die im Schnitt nicht mehr als 95 Gramm CO2 je Kilometer ausstoßen. Nun haben die Mitgliedsländer durchgesetzt, dass die Flottengrenzwerte sich nicht durch die WLTP-Einführung noch einmal - sozusagen automatisch – verschärfen. Stattdessen gilt bis 2020 ein Umrechnungsverfahren. Das heißt: Die alten Grenzwerte gelten vorerst weiter. . Für die Übergangsregelung gibt es auch einen praktischen Grund: Ein verlässlicher Durchschnittswert für die Flotten der Hersteller wird erst dann vorliegen, wenn alle Fahrzeuge nach dem neuen WLTP-Verfahren getestet wurden.

Muss ab September 2018 jeder Neuwagen den WLTP-Test machen?

Nein. Nur einzelne Fahrzeuge eines Typs werden getestet. Wenn die Werte dann vorliegen, gibt der Autohersteller eine Art Garantieerklärung ab, dass alle weiteren Fahrzeuge, die vom Fließband laufen, sich technisch nicht von den Testfahrzeugen unterscheiden.

Wann profitiert der Verbraucher von realistischeren Angaben zum Spritverbrauch?

Wünschenswert wäre, dass der Verbraucher dank des WLTP-Verfahrens bald eine bessere Informationsbasis hat, wenn er vor der Entscheidung steht, einen neuen Wagen zu kaufen. In der Umstellungsphase werden aber zugleich Fahrzeuge auf dem Markt sein, bei denen nach altem Testverfahren der Verbrauch ermittelt wurde, und Fahrzeuge, die bereits nach WLTP getestet wurden. Um nicht für völlige Verwirrung zu sorgen und den Vergleich zu ermöglichen, empfiehlt die EU-Kommission die einheitliche Umstellung EU-weit zum 1. Januar 2019. Aber noch ist nichts sicher. Dafür sind die Nationalstaaten zuständig. >