Noch weit auseinander: Vor Beginn der offiziellen Verhandlungen in der Liederhalle treffen sich Roman Zitzelsberger (IG Metall, links) und Stefan Wolf (Südwestmetall) zum Vier-Augen-Gespräch. Foto: dpa

Mit dem Ziel einer Einigung bis zum Samstagmittag haben IG Metall und Südwestmetall am Freitagabend in Stuttgart die Tarifverhandlungen fortgesetzt. Gewerkschaftschef Hofmann hatte den Arbeitgebern zuvor ein Ultimatum gesetzt.

Stuttgart - Vor der Drohkulisse einer Urabstimmung haben die IG Metall Baden-Württemberg und Südwestmetall am Freitagabend in Stuttgart noch einen Einigungsversuch unternommen. Bis zum Samstagmittag, so mahnte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann am Freitagmittag, müsse ein Kompromiss erzielt werden – sonst werde die IG Metall in allen Tarifgebieten zu 24-Stunden-Streiks aufrufen. „In einzelnen Regionen“, fügte er an, würden zudem unmittelbar Urabstimmungen und der Arbeitskampf in der Fläche eingeleitet.

Mit seinem Ultimatum sucht Hofmann die rasche Entscheidung. Zuvor hatte der Vorstand in der Frankfurter Zentrale über den Gesprächsstand beraten, der Mittwochnacht in Böblingen noch zum Stillstand geführt hatte. Der Druck der Warnstreiks hätte zwar Fortschritte gebracht, meinte Hofmann. Der „Spalt“ sei aber noch immer groß – zumal über die sechsprozentige Entgeltforderung noch gar nicht verhandelt worden sei. „Optimistischer bin ich nicht – aber es wäre sträflich, nicht noch einen Versuch zu wagen“, betonte er.

Beide Seiten zu Zugeständnissen bereit

Zu Beginn der Gespräche verzichteten IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger und Südwestmetall-Chef Stefan Wolf auf jede verbale Schärfe. Ziel sei eine pragmatische Lösung, die nicht hochkomplex, sondern in den kleinen und mittleren Betrieben umsetzbar sei, betonte der Arbeitgeber. „Die Kostenbelastung soll sich im erträglichen Rahmen halten.“ Unüberhörbar war es das klare Ziel der Protagonisten, in Stuttgart den Tarifabschluss zu zimmern. Wegen der vielen verbliebenen Hürden rechnete allerdings kein Beteiligter mit einem Ergebnis vor Samstagmittag.

Beide Seiten wollten dafür auf den Erkenntnissen der Expertenkommission aufbauen, die in Böblingen noch nicht tragfähig genug erschienen. So gab es einen Lösungsansatz für die von der IG Metall geforderte befristete Teilzeit von 28 Wochenstunden, auf die alle Beschäftigte einen individuellen Anspruch erhalten sollen. Wolf zeigte sich wiederum sehr zuversichtlich, ein größeres Mehrarbeitsvolumen über die 35-Stunden-Woche hinaus gewährt zu bekommen – wichtig für viele Arbeitgeber.

Auch Hardliner im eigenen Lager müssen überzeugt werden

Beide Seiten waren damit zu deutlichen Zugeständnissen bereit. Beispielsweise könnte die IG Metall auf den verlangten Entgeltausgleich für besonders belastete Beschäftigtengruppen verzichten, wenn die Arbeitgeber den teilzeitwilligen Mitarbeitern sogenannte bezahlte Zeitbausteine bereitstellen. Diese Umkehrung der bisherigen Zuschusslogik soll die massiven Bedenken von Südwestmetall ausräumen. Aus dessen Sicht würde ein Teillohnausgleich bei Inanspruchnahme der „kurzen Vollzeit“ alle diejenigen Mitarbeiter – oft Frauen – diskriminieren, die auf gesetzlicher Basis früher in die Teilzeit gewechselt sind und meist deutlich weniger arbeiten als 28 Wochenstunden. Denn die bekommen keinen Zuschuss.

Diese Ungleichbehandlung wäre rechtswidrig, meinen die Arbeitgeber. Ihre Verbände wollen daher auf jeden Fall gegen die Streiks klagen, wenn die IG Metall in den Arbeitskampf gehen sollte. Große Konzerne könnten sich anschließen. Das könnte die Gewerkschaft viele Millionen Euro kosten. Die Risiken einer maximalen Eskalation sind also gleich verteilt auf die Tarifpartner. Somit geht es in der zugespitzten Situation auch darum, dass sich beide Chefunterhändler über Widerstände der Hardliner im eigenen Lager hinwegsetzen und diese vom pragmatischen Weg überzeugen.

Verhandlungsort lange Zeit im Voraus geplant

Allein die Tatsache, dass mit dem Kongresszentrum Liederhalle – wo noch nie Tarifverhandlungen stattgefunden haben – ein prominenter Veranstaltungsort lange Zeit im Voraus vorsorglich reserviert worden war, deutet auf eine große Inszenierung hin. Zumal für die Delegationen noch Räume in nahen Hotels bereitgestellt wurden. Daraus folgt, dass die IG Metall und letztendlich auch Südwestmetall dieses Szenario mit einem Abbruch in Böblingen, dem Vorstandsbeschluss in Frankfurt und einem neuen Anlauf in Stuttgart seit einiger Zeit im Kalkül haben. Zur Inszenierung gehören auch die Warnstreiks: Bundesweit haben bisher ungefähr 960 000 Beschäftigte bundesweit die Forderungen der IG Metall unterstützt.