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Petra Morlock bietet in ihrer Praxis diese Therapieform europaweit als Einzige an.

Stuttgart - Bisher wurde Stammzelltherapie in Deutschland nur vereinzelt am Menschen angewandt - und am Pferd. Eine Stuttgarter Tierärztin behandelt nun Kleintiere mit den körpereigenen Zellen, die heilende Wirkung entfalten können. Die Erfahrungen kommen auch dem Menschen zugute.

Dexter humpelte nur noch auf drei Beinen. An Ballspielen war nicht mehr zu denken - was dem quirligen Schokolabrador-Mix gar nicht passte. Kirsten Häusler litt mit ihrem Hund, der damals gerade einmal fünf Jahre alt war. Die Diagnose - Ellbogenarthrose - konnte Häusler als Tierphysiotherapeutin selbst stellen. Umso mehr traf es sie, Dexter auf konventionellem Wege nicht helfen zu können.

Doch Aufgeben kam nicht in Frage. Häusler machte sich im Internet schlau und stieß auf die Stammzelltherapie bei Tieren. In den USA wird diese bereits seit Jahren angewandt - in Europa fand Häusler aber keine Tierarztpraxis, die diese Therapieform im Angebot hatte.

"Stammzelltherapie kann Schmerzen lindern"

Kurzerhand beschloss Kirsten Häusler im März dieses Jahres, nach Amerika zu reisen. Mit im Flieger saß ihre Kollegin Petra Morlock, die eine Tierarztpraxis im selben Gebäude in Degerloch betreibt und mit der Häusler eng zusammen arbeitet. Die beiden Veterinärinnen besuchten in den Staaten die Firma Medivet, ließen sich in die Grundlagen der Stammzelltherapie einführen und brachten Geräte mit, um ein kleines Labor einzurichten, in dem sie die Stammzellen selbst aufarbeiten können.

Mitte März wurde die Therapie bei Dexter angewandt. Mittlerweile kann er wieder mit seinem geliebten Ball spielen, er ist laut Häusler weitgehend beschwerdefrei. Aber nicht geheilt. "Stammzelltherapie kann die Schmerzen lindern, aber keine vollständige Heilung herbeiführen", sagt Häusler.

Den meisten Tierbesitzern bedeutet es schon viel, wenn die Lebensqualität ihres Tieres verbessert wird. Wenn der Hund an Hüftdysplasie leidet oder die Katze sich eine Sehnenverletzung zugezogen hat, leiden Herrchen und Frauchen oft mit. So lässt sich laut Tierärztin Petra Morlock auch keine spezifische Gruppe an Tierhaltern ausmachen, die sich für die Stammzelltherapie entscheiden. Es seien nicht nur Menschen, deren Tiere aus einem vergoldeten Napf fressen. "Manch ein Halter spart sich das Geld für die Behandlung vom Mund ab", sagt Morlock.

Versicherung trägt Kosten

Doch eigentlich ist das gar nicht nötig: Morlock und Häusler haben sich mit der Allianz-Versicherung in Verbindung gesetzt und erreicht, dass bei einem entsprechenden Versicherungsschutz für das Tier die Kasse die Kosten trägt, die bis zu 1800 Euro betragen können.

Diese Bereitschaft der Versicherung ist erstaunlich, da die Stammzelltherapie als experimentelle Methode gilt. "Das stimmt nur zum Teil und für den Menschen", sagt Dr. Walter Brehm, Klinikdirektor der chirurgischen Tierklinik der Uni Leipzig. Er ist einer der wenigen Experten für Stammzelltherapie beim Tier in Deutschland, sein Fachbereich sind Pferde. In der Humanmedizin sei es schwierig, Genehmigungen zu bekommen: "Die Behandlung wird meist nur auf Wunsch und mit der Einwilligung einzelner Patienten durchgeführt."

Beim Tier sei dies freilich einfacher: 2003 wurde die Stammzelltherapie erstmals beim Pferd angewandt und beschrieben, "es ist der Pionier-Patient in der Veterinärmedizin", so Brehm. Seither gab es zahlreiche Studien an Pferden, die den Therapieerfolg belegen. Durch diese, so Brehm, sei es in England sogar gelungen, eine Zulassung für die Anwendung in der Humanmedizin zu forcieren. Tiere als Modell für den Menschen - auch Morlock und Häusler verfolgen diesen Ansatz. Sie werden künftig mit einem humanmedizinischen Institut der Universität Tübingen zusammenarbeiten.

Stammzelltherapie bei Tieren als Zukunftsmarkt

Morlock und Häusler glauben, dass sich die Stammzelltherapie in Deutschland durchsetzen wird - gibt es doch auch einen Massenbedarf. Im vergangenen halben Jahr hat sich die Zahl der Patienten ständig gesteigert - und die Therapie hat in den meisten Fällen Erfolg gezeigt. So auch bei Teddy: Der Pastor-Mallorquin von Christian Forsteneichner litt unter einer instabilen Hüfte, "er hatte nie viel Lust zu laufen", sagt sein Herrchen. Vor einem Vierteljahr bekam Teddy eine Stammzelltherapie, jetzt kann Forsteneichner seinen Hund sogar mit zum Fahrradfahren nehmen. "Wenn ich Teddy beim Springen und Toben zuschaue, weiß ich, der Eingriff hat sich gelohnt", sagt Forsteneichner.

Bei dem eineinhalbjährigen Silver muss sich dies noch herausstellen. Der Silberlabrador, der unter beidseitigen Knieproblemen und Bindegewebsschwäche leidet, wurde erst vor wenigen Tagen behandelt. Er geht derzeit bei Kirsten Häusler in die Physiotherapie - was im Anschluss an die Stammzelltherapie empfehlenswert sei. Seine Wunden - die Stammzellen werden aus Fett isoliert, das dem Tier unter Vollnarkose entnommen wird - verheilen gut. Und so freundlich, wie Silver mit der Rute wedelt, scheint er zuversichtlich zu sein.