Daimler-Betriebsratschef Brecht, Wirtschaftsminister Gabriel, VW-Betriebsratschef Osterloh, Porsche-Betriebsratschef Hück und Daimler-Personalvorstand Porth (v.li.) bei der Diskussion Foto: StN

Daimler gegen BMW, BMW gegen Audi – so ist die Schlachtordnung in der Oberklassen seit langen Jahren. Doch die Frage, ob die wichtigste Konkurrenz nicht woanders sitzt, wird lauter.

Rastatt - Michael Brecht ist ein umgänglicher Mensch. Mit seiner badischen Fröhlichkeit findet der Daimler-Betriebsratschef schnell Zugang zu anderen Menschen. Nicht nur sein Zungenschlag weist den gebürtigen Forbacher (Kreis Rastatt) als Badener aus, sondern auch sein Werdegang. Den größten Teil seines Berufslebens verbrachte er bei Daimler in Gaggenau, bevor er im vergangenen Jahr nach Untertürkheim wechselte.

Seine guten Kontakte ermöglichten ihm jetzt, ein Treffen mit Seltenheitswert zu organisieren: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh, Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück und Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth reisten zu Brechts alter Wirkungsstätte nach Rastatt, um über die Perspektiven der Beschäftigung in Deutschland zu sprechen. Aus Brechts Sicht ist schon das Zustandekommen dieses Treffen Programm –ruft er die Branche doch immer wieder zur Zusammenarbeit auf, damit sie bei neuen Technologien nicht von starken Unternehmen in Asien und den USA abgehängt wird. Doch ausgerechnet in seinem eigenen Unternehmen findet er nur verhaltene Resonanz.

„Es muss uns gelingen, in Deutschland die Stückzahlen zu bündeln“, sagt Brecht mit Blick auf die Fertigung von Batteriezellen für das Elektroauto. Nur so könne man diese Schlüsselkomponenten für das künftige E-Auto in Deutschland wirtschaftlich fertigen. Sein VW-Kollege Osterloh sieht es ähnlich: „Zurzeit lassen sich E-Autos wegen der hohen Kosten für die Batterie nicht kostendeckend verkaufen“, sagt Osterloh. „Bei jedem verkauften Auto ein paar Tausend Euro draufzulegen, das hält auf Dauer kein Unternehmen durch.“ Auch seine Forderung lautet: Alle Register ziehen, um auf hohe Stückzahlen zu kommen und so die Kosten für die Batterie zu senken.

Der Konzern hat einen erfolglosen Anlauf bereits hinter sich

Ausgerechnet Daimler-Personalchef Wilfried Porth ist aber skeptisch. Schließlich hat der Konzern das, was den Betriebsräten vorschwebt, bereits getan: Daimler hat im sächsischen Kamenz bereits eine eigene Fertigung von Batteriezellen aufgebaut – in der Absicht, diese Zellen auch anderen Herstellern zu verkaufen. Doch das Projekt ist am Ende gescheitert: Die Kunden blieben aus, das neue Werk produzierte letztlich nur für den E-Smart. Dann stieg auch noch der Partner, der Chemiekonzern Evonik, aus. Autohersteller wollten nicht ihren eigenen Konkurrenten stärken, zudem waren inzwischen weltweit hohe Fertigungskapazitäten entstanden. Die Batteriezelle wurde zum Massengut, das man in gleicher Qualität überall billig einkaufen kann. Deshalb zog Daimler einen Schlussstrich und baut stattdessen in Sachsen die Fertigung der kompletten Batterie aus, die aus zusammengekauften Zellen zusammengesetzt wird. Das ist technisch anspruchsvoller, so dass Daimler hofft, hier tatsächlich einen Mehrwert für sich schaffen zu können. Für Personalchef Porth lautet die Lehre: „Das Thema Kooperation lässt sich am besten über unserer Zulieferer steuern.“

Für Brecht sind die Zeiten vorbei, da die Politik das Thema allein den Unternehmen überlassen darf. „Auch wenn es nicht jeder gern hört: Wir brauchen jetzt eine aktive Industriepolitik“, sagte Brecht an Gabriel gewandt. Das Argument, die Unternehmen seien zu reich, um staatliche Förderung zu bekommen, greife heute nicht mehr.

Könnten Fördergelder nicht auch von der EU kommen?

Lieber als den deutschen würde Gabriel dafür den europäischen Steuerzahler heranziehen, zumal es sich hier um gleichgelagerte Interessen von Herstellern aus Deutschland, Frankreich und Italien handle – und zumal die EU mit dem Juncker-Fonds einen über 300 Milliarden Euro schweren Topf für Investitionen bereitstellt. „Bisher sind für diesen Topf viele Wünsche angemeldet worden unter der Devise: Was ich schon immer gern mal haben wollte“, so Gabriel. „Warum ist es eigentlich nicht möglich, dass sich die Autoindustrie in Deutschland, Frankreich und Italien zusammentut, um mit Mitteln aus diesem Topf den Standort Europa zu stärken?“ Gleichwohl gebe es auch in Deutschland wichtige Aufgaben für die Politik. So werde sich das Ziel, bis 2020 eine Million Autos auf die Straße zu bringen, ohne finanzielle Kaufanreize kaum erreichen lassen.