Ein Trend, der sich verstetigt: In Stuttgart lebt in jeder zweiten Wohnung nur noch eine Person Foto: dpa

Schon heute herrscht Wohnungsnot in den Ballungsräumen Baden-Württembergs. Dabei braucht es bis zum Jahr 2035 noch viel mehr und immer kleinere Wohneinheiten. Dies geht aus einer neuen Expertise des Statistischen Landesamtes hervor.

Stuttgart - Werner Brachat-Schwarz ist im Statistischen Landesamt Leiter des Referats „Bevölkerungsstand und -bewegung, Gesundheitswesen“. Das klingt einigermaßen spröde, doch die inhaltliche Arbeit ist hochinteressant und im weitesten Sinne auch von politischer Bedeutung. Festmachen lässt sich dies an der aktuellen Studie des ausgewiesenen Datenexperten zur Entwicklung der Haushalte im Südwesten.

Brachat-Schwarzens Fazit dazu: In Baden-Württemberg wird es bis zum Jahr 2035 immer mehr und immer kleinere Privathaushalte geben. Das heißt dann aber auch: Der Bedarf an Wohnraum, der schon heute speziell in den Ballungsräumen des Landes vielfach nicht befriedigt werden kann, steigt unvermindert weiter. „Es würde mich sehr überraschen, wenn es anders käme“, sagt der Statistiker. Als Privathaushalt zählt übrigens jede zusammen wohnende und eine wirtschaftliche Einheit bildende Gruppe, zählen aber auch alle Personen, die alleine wohnen und wirtschaften. Der familiäre Status spielt keine Rolle.

In der Hälfte aller Wohnungen in Stuttgart lebt eine Person

Das Phänomen, dass jeder einzelne Bürger einen erhöhten Platzbedarf für sich reklamiert, ist nicht neu. Seit vielen Jahren wächst die Zahl der Haushalte deutlich schneller als die Zahl der Bürger. Und vor allem leben in den einzelnen Wohnungen und Häusern immer weniger Menschen. So ist die Zahl der Einpersonenhaushalte seit 1990 um 30 Prozent auf aktuell gut zwei Millionen, die der Zweipersonenhaushalte gar um mehr als 40  Prozent auf 1,7 Millionen gestiegen, während die Zahl der Haushalte mit vier und mehr Personen deutlich zurückgegangen ist.

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Bemerkenswert: Haben im Südwesten in den 1960er Jahren durchschnittlich noch drei Personen in einer Wohnung oder in einem Einfamilienhaus gelebt, sind es mittlerweile noch rund zwei. Schon heute sind speziell in der Landeshauptstadt 50,3 Prozent aller Wohnungen mit nur noch einer Person belegt. Auch wenn dies in anderen Gegenden des Landes momentan nicht ganz so ausgeprägt ist: Mittlerweile finden sich in 39,2 Prozent aller Wohnungen im Südwesten Singlehaushalte. All das sind Trends, die sich in den nächsten Jahren unvermindert fortsetzen werden, wie Werner Brachat-Schwarz nun in seiner jüngsten Analyse konstatiert.

Laut der Studie dürfte die Bevölkerung weiter wachsen

Der Statistiker legt dabei Wert auf die Feststellung, dass der Blick in die Zukunft mit vielen „Unwägbarkeiten“ verbunden sei. Insofern betreibe er mit der Studie keine Vorhersage, sondern entwickle vor dem Hintergrund bestimmter Annahmen verschiedene Szenarien. Das sogenannte Trendszenario ist aus seiner Sicht der wahrscheinlichste Fall. In absoluten Zahlen bedeutet dies, dass die Zahl der Haushalte von 5,16 Millionen bis 2035 auf rund 5,7 Millionen steigen könnte. Das Plus von mehr als zehn Prozent fällt noch deutlicher aus bei den Ein- und Zweipersonenhaushalten, die demnach um mehr als 17 Prozent zunehmen, während die Zahl größerer Haushalte deutlich zurückgeht.

Die Gründe für solch eine mögliche Entwicklung sind vielschichtiger Natur. Nach dem Stand der Dinge dürfte die Bevölkerung im wirtschaftlich erfolgreichen Südwesten durch Zuwanderung weiter wachsen – ähnlich wie schon in den vergangenen Jahren. Hinzu kommt die allgemeine demografische Entwicklung mit immer mehr älteren, zu zweit oder allein lebenden Menschen. Aber auch gesellschaftliche Veränderungen spielen eine Rolle, wenn Partner sich häufiger als früher getrennte Wohnungen leisten, durch Scheidungen der Bedarf an Unterkünften steigt oder Berufspendler sich wegen der großen Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine zweite Schlafstätte leisten müssen.