Futuristisches Gefährt mit Elektroantrieb: Auf dem Dach des Pakettransporters von Mercedes-Benz thronen zwei Drohnen. Foto: Daimler

Die Transportersparte von Daimler will künftig zusätzlich zu den Fahrzeugen auch Logistiksysteme und neue Mobilitätsdienste anbieten. Die Fahrzeuge denken sogar mit.

Stuttgart - Der „Vision Van“ von Mercedes-Benz sieht aus, als wenn er direkt aus einem Science-Fiction-Film in die Stuttgarter Messehalle gefahren wäre. Die sehr breite Windschutzscheibe wölbt sich wie ein Hightech-Visier weit in die Seitenwände. Statt eines Lenkrads hat der Transporter nur einen Joystick, auf dem Dach thronen zwei Drohnen. Der Autobauer rühmt das Nutzfahrzeug als revolutionäre Transporterstudie für den urbanen Raum: „Mit dem Vision Van stellen wir den intelligenten, sauberen und voll vernetzten Transporter der Zukunft vor. Wir wollen zeigen, was in Zukunft aus unserer Sicht möglich sein wird“, sagt Volker Mornhinweg, der Chef der Transportersparte von Daimler. Einiges davon stehe kurz vor der Vermarktung, anderes werde eher morgen oder übermorgen auf den Markt kommen, so Mornhinweg.

Das futuristische Gefährt mit Elektroantrieb soll durch eine intelligente Vernetzung von Daten Paketdiensten beträchtliche Zeit- und Effizienzgewinne bringen. Der automatisierte Laderaum sorgt dafür, dass der Fahrer an einer Luke hinter dem Fahrersitz genau das Paket in Empfang nimmt, das für die optimale Strecke unter Berücksichtigung der von den Kunden gewünschten Liefertermine als nächstes dran ist. Zeitraubendes Suchen und Umsortieren entfällt. Zwei weitere Pakete werden gleichzeitig automatisch zu den Drohnen geschickt, die sich auf den Weg zu speziellen Boxen bei den Kunden machen, wo sie ihre Fracht deponieren.

Noch sind Lieferungen per Drohne Zukunftsmusik in Deutschland

Noch sind Lieferungen per Drohne zumindest in Deutschland Zukunftsmusik. Die Technik sei schon sehr weit fortgeschritten, in Deutschland und in vielen anderen Ländern suche die Gesetzgebung noch Wege, sagt Mornhinweg. In der Schweiz oder in Großbritannien sei es heute etwas einfacher, eine Genehmigung zu erhalten. Der Daimler-Manager meint jedoch, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis Lieferdrohnen auch hierzulande durch die Städte surren. Wie um diese Zuversicht zu unterstreichen, hat sich der Autobauer an dem kalifornischen Drohnenhersteller Matternet beteiligt.

Der ungewöhnliche Lieferwagen ist zugleich Zeichen einer neuen Strategie. „Wir haben in den vergangenen Jahren unsere globale Präsenz ausgebaut und die Modellpalette erweitert“, erinnert Mornhinweg. Diese Strategie zahle sich voll aus. „Wir werden auch in diesem Jahr kräftig wachsen.“ Nun folgt der nächste große Schritt: „Wir entwickeln uns von einem Transporterhersteller zum Anbieter ganzheitlicher Systemlösungen und Mobilitätsdienste“, kündigt der Chef der Daimler-Sparte an. „Damit können wir den Kunden große Effizienzgewinne bieten“, sagt Mornhinweg. Zum Fahrzeug gibt es also beispielsweise Drohnen, automatisierte Regalsysteme und viel Software für digital vernetzte Logistiksysteme. In den nächsten fünf Jahren will Daimler rund eine halbe Milliarde Euro in diese Zukunftsinitiative investieren.

Die Mannschaft arbeitet wie in Start-up und wie die Gründer im Silicon Valley

Für diese neuen Angebote wurden bereits vor etwa zwei Jahren die Weichen gestellt. Seither wurde in Stuttgart, Berlin und im Silicon Valley „eine junge dynamische Truppe von etwa 200 Mitarbeitern aufgebaut“, sagt Mornhinweg. „Diese Mannschaft arbeitet wie ein Start-up und wie die Gründer im Silicon Valley – durchaus anders als wir in unserem traditionellen Kerngeschäft. Da kann man nicht alles spitz rechnen, sonst kommt man nie aus den Startlöchern“, sagt Mornhinweg. Diese Mannschaft hat schon eine ganze Latte von Geschäftsideen gesammelt und teilweise auch Pilotprojekte gemeinsam mit Kunden und anderen Partnern auf den Weg gebracht. Im Mittelpunkt stehen dabei die digitale Vernetzung, automatisierte Ladesysteme, die beispielsweise das Be- und Entladen beschleunigen, und neue Mobilitätsdienste, mit denen sich Unternehmen rasch und unkompliziert Transporter für den Spitzenbedarf besorgen können. Die Fahrzeuge werden per Smartphone gebucht, geöffnet und geschlossen.

Zu den Pilotprojekten zählt auch eine Gemeinschaftsentwicklung des Autokonzerns mit dem bayerischen Fahrzeug-Regalhersteller Sortimo und dem Schwarzwälder Befestigungstechnik-Spezialisten Fischerwerke. Servicetechniker eines Haustechnik-Unternehmens vom Bodensee können über eine App fehlende Teile bei den Fischerwerken bestellen. Ein Logistiker spürt die Transporter der Haustechnik-Firma in der Nacht über GPS auf, öffnet die Tür per Smartphone und füllt die Regale auf.

Die Entwicklung solcher Komplettlösungen bedeutet indes nicht, dass Daimler nun auch alles selbst produzieren oder reihenweise Spezialisten für Produkte rund um den Transporter übernehmen will, stellt Mornhinweg klar. Um umfangreiche Angebote für digital vernetzte Lieferketten entwickeln zu können, so der Daimler-Manager, benötige man natürlich ein gewisses finanzielles Polster. „Wir als Großunternehmen können hier in Vorlage gehen und entwickeln die Themen gemeinsam mit Partnerfirmen und Kunden weiter“, so Mornhinweg. Erst wenn die Angebote marktreif seien, werde dann geprüft, ob Daimler diese selber anbiete oder ob Partner bei der Vermarktung mit eingebunden werden.