Winfried Kretschmann (links) testet am Freitagnachmittag unter den Augen von Nikolas Stihl eine elektrische Heckenschere. Foto: Gottfried Stoppel

Die Firma Stihl weiht ihre neue Produktionslogistik und einen Erweiterungsbau ihres Entwicklungszentrums für 90 Millionen Euro ein – ohne die Kanzlerin, aber in Anwesenheit des Ministerpräsidenten. An der Pforte protestieren Umweltaktivisten.

Waiblingen - Mehrere hundert Gäste aus Politik und Wirtschaft haben am Freitagnachmittag an einer Feier zur Einweihung der neuen Produktionslogistik sowie eines Erweiterungsbaus für das Entwicklungszentrum der Firma Stihl teilgenommen. Das Unternehmen hat an seinem Standort in Waiblingen-Neustadt insgesamt rund 90 Millionen Euro investiert. „Das ist ein erfreuliches Signal“, sagt dazu der als Festredner geladene Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) – die Firma Stihl ermutige damit andere Unternehmen und setze sich mit den Neubauten „an die Spitze des Fortschritts“.

Noch ein Gast freut sich über das „Bekenntnis zum Standort Deutschland“: die Bundeskanzlerin Angela Merkel, die allerdings nur per Videoeinspielung anwesend ist. „Die Vorbereitung des Flüchtlingssondergipfels der EU mit der Türkei ließ ein Kommen nicht zu“, erklärt der Aufsichtsratsvorsitzende Nikolas Stihl die Absage der Kanzlerin.

Matek Geram hat eine 30-stündige Reise hinter sich

Einer, der gerne zur Feier gekommen wäre, aber nicht zu den geladenen Gäste gehört, ist Matek Geram. Der 36-jährige Mann aus Malaysia hat eine 30-stündige Reise auf sich genommen, um mit rund 20 Umweltaktivisten an der Pforte der Firma Stihl gegen die Rodung von Regenwäldern in seiner Heimat und die Zusammenarbeit von Stihl mit der malaysischen KTS-Gruppe zu protestieren (siehe „Zwei Bauprojekte und Kritik von Umweltschützern“).

Eine Liste mit mehr als 104 000 Unterschriften gegen die illegale Abholzung von Wäldern haben Matek Geram und seine Mitstreiter von den beiden Initiativen Rettet den Regenwald und Poema mit im Gepäck, überreichen können sie diese jedoch nicht. „Wir haben mehrere Male angefragt, aber das Unternehmen wollte die Unterschriften nicht entgegen nehmen und auch nicht mit uns

Foto: Gottfried Stoppel
sprechen. Die Antwort war, dass man der Firma KTS vertraue“, so Mathias Rittgerot von Rettet den Regenwald. „Ich bin traurig, denn ich hätte gerne mit den Verantwortlichen gesprochen und ihnen die Details erklärt“, sagte Matek Geram, der ein Angehöriger des indigenen Volks der Iban ist: „KTS und andere Firmen stehlen unser Land und fällen Bäume – viele unserer Wälder sind weg.“ Er fordert, die Firma Stihl müsse jede Geschäftsbeziehung zu KTS beenden. Und fügt hinzu, dass er die Produkte der Waiblinger Firma persönlich schätze: „Das sind gute Sägen von guter Qualität.“

Dann bittet Matek Geram Roland Meeraus, den Leiter des Polizeireviers Waiblingen, um ein gemeinsames Foto. Der freundliche Polizeibeamte spielt mit und nennt mit Blick auf die Gruppe der Demonstranten, die Lage „völlig problemlos“.

„Kleiner Beitrag zur Entlastung der Stauhauptstadt“

Im Festsaal erläutert derweil Nikolas Stihl der Gästeschar, durch den Neubau der Produktionslogistik und deren Verlegung von Ludwigsburg nach Waiblingen leiste seine Firma „einen kleinen Beitrag zur Entlastung der Stauhauptstadt Stuttgart“ . Dass der Transportweg von 15 Kilometern auf 15 Meter geschrumpft sei, senke aber natürlich auch die Logistikkosten für die Firma Stihl und verbessere deren Wettbewerbsfähigkeit. Das erweiterte Entwicklungszentrum wiederum biete „beste Voraussetzungen, mit verbesserten Produkten und innovativen Technologien auch weiterhin Maßstäbe zu setzen.“

Der Ministerpräsident Winfried Kretschmann bezeichnet Stihl denn auch als „Aushängeschild unseres Landes“ – und als Beweis dafür, „dass es möglich ist, mit umweltfreundlichen Produkten große Erfolge zu erzielen“. Einen dieser „klimaschonenden Exportschlager“ testet der Ministerpräsident gleich darauf bei einem Rundgang: Mit einer elektrischen Heckenschere verpasst der Grüne einem Buchsbäumchen einen neuen Schnitt.

Zwei Bauprojekte und Kritik von Umweltschützern

Bauten
Hinzugekommen am Stihl-Standort Waiblingen-Neustadt sind ein Neubau für die Produktionslogistik mit einer Fläche von rund 15 000 Quadratmetern (Baukosten: 49 Millionen Euro) und ein Erweiterungsbau des Entwicklungszentrums (Baukosten: 32 Millionen Euro). Dort sollen emissionsfreie und leise Akku- und Elektrogeräte entwickelt werden. Das Gebäude bietet Platz für 300 Arbeitsplätze in Werkstätten, Büros und Laboren.

Kritik
Die Initiative Rettet den Regenwald fordert von der Firma Stihl, ihre Zusammenarbeit mit der Firma KTS Trading, einem malaysischen Vertriebspartner, zu beenden. Eine entsprechende Petition haben rund 104 000 Menschen unterzeichnet. Laut den Umweltaktivisten sind Tochterunternehmen der Firma KTS an der illegalen Rodung von Wäldern in Malaysia beteiligt. Teils sollen sie auf dem Land der indigenen Volksgruppe der Iban stattgefunden haben. Die abgeholzten Flächen werden laut der Organisation auch als Standorte für Palmöl-Plantagen genutzt.

Palmöl
Das billige Palmöl ist vielseitig verwendbar und steckt in Margarine, Pizza, Schokoriegeln, Waschmittel, Creme oder Lippenstift. Zudem wird es dem „Biosprit“ für Dieselfahrzeuge beigemischt. Für die Plantagen werden tropische Wälder gerodet, was etwa Orang-Utans und Tigern den Lebensraum entzieht.