„Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst“, sagt der Landrat Roland Bernhard. Foto: dpa

Die Finanzlage der Kreisbewohner soll statistisch erfasst werden, auch wenn dies nicht jeder für sinnvoll hält.

Böblingen - Eine weitere Statistik wird keine weitere Erkenntnis bringen. Das ahnt Hans Michael Burkhardt. „Ich bin grundsätzlich skeptisch gegenüber immer neuen Berichten“, sagt der Kreisrat der Freien Wähler. Er wird trotzdem eine weitere Statistik auf den Tisch bekommen, denn die Mehrheit im Kreistag sieht es anders, darunter vor allem die Sozialdemokraten. Sie hatten – vor einem Jahr schon – einen Armutsbericht für den Landkreis gefordert. Die Freien Wähler haben dann darauf bestanden, dass der Titel in Armuts- und Reichtumsbericht geändert wird.

Was den Umfang des Zahlenwerks genauso wenig vermindern wird wie den Aufwand, den die Statistiker zu treiben gezwungen sind. Dies allein schon, weil die Daten aus unterschiedlichen Quellen stammen. Über den mutmaßlichen Reichtum der Kreisbewohner kann nur das Finanzamt Auskunft geben. Weil keine Steuern zahlt, wer wirklich arm ist, wird Armut in gänzlich anderen Quellen erfasst.

Der landesweite Armutsbericht ist 894 Seiten dick

Offenkundig ahnte die Kreisverwaltung, dass der Bericht einen im Wortsinn unhandlichen Umfang erreichen könnte. Er soll höchstens 100 Seiten dick werden. Auf die Sinnhaftigkeit dieser Obergrenze deutet das landesweite Zahlenwerk zum Thema hin. Als 2015 die damalige Sozialministerin Katrin Altpeter erstmals die Zahlen für Baden-Württemberg präsentierte, lagen 894 Seiten vor ihr, über deren Erkenntniswert sich tatsächlich streiten ließ. Dass Alleinerziehende weniger Bares zur Verfügung haben als doppelt verdienende Paare, dürfte jedenfalls niemanden überrascht haben. Genauso wenig, dass die Mieten in Stuttgart höher sind als auf dem Lande.

Der Inhalt des kreiseigenen Berichts soll deshalb konkret sein. Für die CDU wünscht sich Cornelia Ikker-Spieker typische Fallbeispiele samt Hinweisen, wann ein finanzielles Abrutschen hätte gestoppt werden können. „Es geht um Handlungsanweisungen“, sagt die Grüne Heidrun Behm, „das Geld ist gut angelegt“. Es soll an eine Hochschule fließen, die den Bericht gemeinsam mit der Sozialverwaltung erarbeiten wird. Allerdings begrenzt sich deren Honorar auf eine Summe, die den Kreis nicht arm und niemanden reich macht: 30 000 Euro.

Der Landrat ahnt, dass er im Kollegenkreis belächelt wird

Der Landrat Roland Bernhard ahnt zwar, dass er im Kollegenkreis belächelt werden könnte, wenn ausgerechnet der Kreis Böblingen Zahlen zur Armut veröffentlicht. Gemessen am Durchschnittsverdienst gehören seine Bewohner zu den reichsten Deutschlands. Aber „Fakt ist auch, dass der Abstand zwischen Arm und Reich deutlich gewachsen ist“, sagt Bernhard. „Das kann uns nicht egal sein.“ Deshalb sollen die Zahlen nicht mur zur Kenntnis genommen werden. Nach deren Präsentation sollen die Akteure des Sozial- und Gemeinwesens eine Liste mit Gegenmaßnahmen erarbeiten. Ende des nächsten Jahres soll sie beschlossen werden.