Angela Merkel und Winfried Kretschmann treffen sich immer wieder. Nicht immer wird das für so selbstverständlich gehalten, wie hier bei der Stallwächterparty in Berlin Foto: dpa

Die Kanzlerin und der Stuttgarter Regierungschef haben sich getroffen. Das weckt Spekulationen über ein schwarz-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl und Kretschmann als möglichen Gauck-Nachfolger

Berlin - Es ist erst ein paar Tage her, dass Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) die Parteien kollektiv für ihre Disziplin im Umgang mit der Frage lobte, wer der Nachfolger von Bundespräsident Joachim Gauck werden könnte. Denn tatsächlich ist es ruhig um das Thema geblieben, seit Joachim Gauck eine zweite Amtszeit definitiv ausgeschlossen hat und die erste, sich unmittelbar daran anknüpfende Spekulationswelle abgeklungen ist.

Die Medien hat Lammert in sein Lob ausdrücklich nicht eingeschlossen, obwohl das Thema nur sehr vereinzelt eine Rolle gespielt hat. Aktuell wartet nun der „Spiegel“ mit der Nachricht auf, dass Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Sonntag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammengetroffen sei. Der Termin wird zwar weder in Berlin noch in der Stuttgarter Staatskanzlei offiziell bestätigt, hat aber dem Vernehmen nach stattgefunden. Das Treffen belebt nun auch die Fantasie. Denn der „Spiegel“-Autor will hinter Kretschmanns Bescheidenheit die Bereitschaft zur Gauck-Nachfolge ausgemacht haben, falls er denn gefragt würde.

Kretschmann plädiert für erfahrenen Politiker als Bundespräsidenten

Dem Magazin zufolge strebt Kretschmann nicht nach dem Amt, aber eine große Ehre wäre es ihm wohl schon – einschlägige wörtliche Zitate werden allerdings bisher nicht geliefert. „Es sollte ein ausgewiesener, erfahrener Politiker sein“, sagt Kretschmann zum künftigen Bundespräsidenten lediglich. „Es ist jetzt nicht die Zeit für Experimente. Er sollte politisch versiert und zugleich in der Lage sein, das Land parteiübergreifend zusammenzuhalten“. Diese Sätze wertet der „Spiegel“-Bericht als Plädoyer für ein schwarz-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl.

Das Staatsministerium in Stuttgart hält sich bedeckt, räumt lediglich ein, dass Kretschmann und Merkel „von Zeit zu Zeit miteinander Gespräche über bundespolitische Themen führen“, was in ähnlichen Worten auch in der Hauptstadt zu hören ist. Anlass für das jüngste Treffen sei das Gewicht der Grünen im Bundesrat gewesen, heißt es aus Kretschmanns Umfeld, „er spricht für die grünen Länder“, sagt ein Vertrauter. Dass die beiden einen guten Draht hätten, sei auch kein Geheimnis.

Kretschmann verärgert Parteichefin Simone Peter

Weder dem Kanzleramt, noch den Grünen kommen die Spekulationen gelegen. „Über mögliche vertrauliche Gespräche und Begegnungen der Kanzlerin geben wir grundsätzlich keine Auskunft“, lässt ein Regierungssprecher gegenüber dieser Zeitung schmallippig verlauten. „Wer die Nachfolge von Joachim Gauck antreten wird, entscheidet sich im Februar“, erklärt der Geschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, mit Blick auf die Bundesversammlung am 12. Februar. „An der Situation hat sich auch während der Sommerpause nichts geändert. Wir wollen uns nicht an Spekulationen über einzelne Namen beteiligen, auch, weil wir Kandidatinnen und Kandidaten nicht verbrennen wollen.“

Davon abgesehen hat Kretschmann sich für seinen Satz über den Zusammenhalt in der Gesellschaft gleich einen Rüffel seiner Parteichefin Simone Peter eingefangen. „Für Zusammenhalt, Freiheit und Selbstbestimmung steht diese Union gerade gar nicht. Politischer Wechsel überfällig!“, twitterte sie.

Merkel hat den Zeitplan für die Entscheidung abgesteckt

Die Kanzlerin hat schon früh deutlich gemacht, dass sie in jedem Fall die Landtagswahlen im Herbst abwarten will, bevor „im Lichte der Zusammensetzung der Bundesversammlung Entscheidungen“ in Sachen Gauck-Nachfolge getroffen würden. Aber die schwierige Gemengelage in der Präsidentenfrage ist bisher kaum einfacher geworden. Tatsächlich haben die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin nicht das Zeug, die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung zu verändern. Es wird mit großer Wahrscheinlichkeit dabei bleiben, dass dort nur Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün, nicht aber Rot-Rot-Grün im Frühjahr 2017 einen eigenen Kandidaten im ersten Wahlgang durchsetzen kann. Eine sichere Machtoption für die Bundestagswahl im kommenden Herbst kann sich derzeit aber nur die in den eigenen Reihen zunehmend ungeliebte große Koalition ausmalen. Doch ein großkoalitionärer Präsidentschaftskandidat würde weder der Union noch der SPD wirklich schmecken.

Auch die schwarz-grüne Variante hat Tücken: Dass Merkel der CSU und dem konservativen CDU-Flügel Kretschmann als schwarz-grünen Bewerber schmackhaft machen könnte, ist derzeit schwer vorstellbar. Auch für die Grünen wäre das nicht einfach: Die Republik tickt nicht wie Baden-Württemberg. Ein schwarz-grünes Signal könnte im Bundestagswahlkampf zum Handicap bei der Mobilisierung der eher linken Stammwählerschaft werden. Kretschmanns Chance würde in einem Dreier-Bündnis aus Schwarz, Grün und Rot liegen. Doch die Chance, dass die SPD sich für diese Personalie gewinnen lässt, schwindet, je eindeutiger Kretschmann Schwarz-Grün im Bund propagiert. www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.gauck-nachfolge-kretschmann-der- kompromiss-kandidat.903bd55c-0566-4ca3-823f-b14be1b60843.html