Im Krieg geht es martialisch zu. Die Hip-Hop-Stepping-Gruppe der Tanz- und Theaterwerkstatt setzt das mit ihren eigenen Mitteln in Szene. Foto: factum/

„Troja Macht Krieg“ heißt das neue Stück des Ludwigsburger Bürgertheaters, das im September Premiere hat. 80 Beteiligte spielen, tanzen und musizieren mit. Die Collage ist von antiken Texten inspiriert, schlägt aber Brücken in die Gegenwart.

Ludwigsburg - Sommer, Sonne, süßes Nichtstun? Für die rund 80 Schauspieler, Musiker, Tänzer und das Leitungsteam der neuen Ludwigsburger Bürgertheater-Produktion gilt das nicht: Sie stecken in der heißen Phase vor der neuen Premiere. Es gab Zeiten in der Historie des Bürgertheaters, da waren es auch mal 200 Darsteller mehr. „Aber immer größer werdende Projekte konnten nicht die Zukunft sein“, sagt Dramaturg Rainer Kittel. Das Bürgertheater wolle wieder offener und niederschwelliger werden. Die Dimension mancher Produktion habe es nicht mehr erlaubt, „auch Leute einzubinden, die ganz am Anfang stehen“.

Ehre, Krieg und menschliche Momente

Ein luftig-leichter Sommerstoff ist es nicht, den das Bürgertheater in Angriff genommen hat: „Troja Macht Krieg“ heißt die Collage, die sich aus „Ilias“-Passagen von Homer, „Troerinnen“-Stellen von Euripides und Textübermalungen von Regisseur Axel Brauch speist. Es sind Texte, die auch nach Jahrtausenden nichts von ihrer Wirkmacht verloren haben und die Mechanismen des Krieges zeitlos aktuell beschreiben, findet Kittel. „Homer hat alle Merkmale vorweggenommen, die auch heute noch Kriege prägen. Die Geschichte von Troja ist unglaublich plastisch“, sagt er, „und nackt in ihrer Brutalität und in ihrer Menschlichkeit. Es geht um Krieg, Wut, Zorn, Ehre. Und um Möglichkeiten, den Krieg zu beenden und es trotzdem nicht zu tun.“ Doch auch Momente von Innehalten, Barmherzigkeit und Verzeihen schimmern durch den Text. Lange, berichtet Kittel, habe der Troja-Stoff in ihm geschlummert, „tief abgelegt als Option“.

Krieg als Grunderfahrung des Menschen

Aufgebrochen sei das Sujet durch den Syrien-Krieg und das Leid unzähliger Flüchtlinge. Seitdem beschäftigt Rainer Kittel das Thema Krieg, das seit Zivilisationsbeginn zur Grunderfahrung des Menschen gehört. Den Regisseur Axel Brauch, seit der „Urban Prayers“-Produktion 2017 beim Bürgertheater dabei, inspirierte der antike Stoff zu eigenen Texten darüber, was Menschen einander bedeuten, sich aber auch gegenseitig antun können.

Den Protagonisten der „Ilias“ hauchen in der Bürgertheater-Inszenierung professionelle Darsteller Leben ein. Dazu gesellen sich ambitionierte Amateure wie die Theater-AG des Ludwigsburger Schiller-Gymnasiums. Von den Schülern ist Axel Brauch ziemlich angetan. „Die Chortexte zu lernen und gemeinsam zu sprechen ist harte Arbeit“, sagt er. Das Metrum habe er an einigen Stellen „gekillt“, um es den Deklamierenden und den Zuhörenden leichter zu machen. „Mich interessiert mehr der Inhalt als die Form.“

Eine große gemeinsame Kraft

In Manier eines antiken Chores kommentieren die Jugendlichen die Geschehnisse. „Wenn man im Chor als Gruppe dasteht, erlebt man eine große gemeinsame Kraft. Das zu spüren und sich mit diesen Texten zu beschäftigen, das werden die Schüler nie vergessen“, ist sich Rainer Kittel sicher.

Nach guter Bürgertheater-Tradition überwindet das Stück die Spartengrenzen: Es bindet reichlich Musik und Tanz ein. Eine Hip-Hop-Stepping-Gruppe der Tanz- und Theaterwerkstatt, deren Chefin Bettina Gonsiorek die Produktionsleitung hat, ist dabei, aber auch ein Duo mit orientalischen Instrumenten und Gesang. Dazu kommt die Perkussionsgruppe Stahl fatal, die auf Fässern, Blechen und anderen Gegenständen den Krieg akustisch hervorruft. „Dass so viele unterschiedliche Menschen mitmachen, ist die große Chance des Bürgertheaters“, findet Axel Brauch. „So eine Produktion setzt viele Prozesse in Gang, die ermutigend sind und Theater relevant machen.“

Orte der Triumphe und der Schmach

Selbst den Spielort gäbe es ohne Kriege nicht: Das Stück geht in der Karlskaserne über die Bühne, eine von vielen Kasernen, die Ludwigsburg einst zur zweitgrößten Garnisonsstadt des Deutschen Reiches machten. Bühnenbildnerin Gesine Mahr verortet das Stück in einer miefigen Turnhalle mit Ertüchtigungsgeräten wie Barren und Pferd, quasi ein vorweggenommenes Schlachtfeld: ein Ort des Sich-Wappnens und Sich-miteinander-Messens, ein Ort der Triumphe und der Schmach.