Das denkmalgeschützte Gebäude ist in einem schlechten Zustand. Die Stadt beharrt daher auf ihrem Vorkaufsrecht. Foto: Alexander/üller

Die Aufwertung des Ortskerns in Untertürkheim nimmt langsam Gestalt an. Das Neckarufer im Lindenschulviertel wird endlich umgestaltet. Die Stadt will unbedingt den Bahnhof kaufen.

Wenn viele Menschen aus aller Welt an Stuttgart denken, kommen ihnen oftmals drei Begriffe in den Sinn: der Cannstatter Wasen, Zuffenhausen und Untertürkheim. Das Erste aufgrund des zweitgrößten Volksfestes der Welt, mit beiden Letzteren verknüpfen sie natürlich die beiden Autohersteller Porsche und Mercedes. Doch gerade in Untertürkheim beklagen Anwohner und Geschäftsleute seit Jahren die Zustände zwischen dem Hauptsitz des Premiumherstellers und den ebenfalls weit über die Ortsgrenzen hinaus bekannten Weinberglagen. Vor allem die „Betonwüste“ am Karl-Benz-Platz, der Bahnhof Untertürkheim und das ehemalige Postgebäude bilden alles andere als ein angemessenes Entree. Zudem soll ein Zugang zum Neckar entstehen.

 

Bereits vor acht Jahren hatte der damalige Oberbürgermeister Fritz Kuhn mit dem Masterplan Untertürkheim Hoffnungen auf einen attraktiven Ortskern geweckt. Vor allem auch, um – wie in vielen Randbezirken – dem Trading-down-Effekt entgegenzuwirken. Doch bislang ist nichts geschehen. Noch nicht, wie OB Frank Nopper betont.

Umgestaltung des Neckarufers

Denn laut Stadt haben vorbereitende Maßnahmen für die Umgestaltung des Neckarufers im Lindenschulviertel bereits begonnen – nach acht Jahren Wartezeit. Der offizielle Spatenstich soll Ende Oktober erfolgen. Im Rahmen des Masterplans „Landschaftspark Neckar in Stuttgart – Stadt am Fluss“ wird in einem ersten Bauabschnitt der Neckardamm zwischen Ölhafen und Untertürkheimer Schleuse neu modelliert. Eine Treppen- und Rampenanlage soll einen besseren Zugang zum Lindenplatz ermöglichen, Sitzgelegenheiten auf breiten Stufen sollen zum Verweilen einladen. Rund zehn Monate sollen die Bauarbeiten dauern. Die Kosten wurden 2021 auf rund drei Millionen Euro geschätzt.

Das Problem: Erst im zweiten Abschnitt soll der Lindenschulplatz neu gestaltet und weitere Aufenthaltsflächen generiert werden. Er soll zudem über einen Strom- und Wasseranschluss für Feste verfügen. Sogar erst im finalen Abschnitt soll das eigentliche Schmuckstück eingerichtet werden, der zugängliche Schwimmponton auf dem Neckar. Doch einen Zeitplan für die Umsetzung der beiden letzten Bauphasen gibt es noch nicht. „Das macht keinen Sinn. Es wäre unvollständig, würde man lediglich den Neckardamm umbauen“, verspricht Nopper sich noch einmal des Projekts anzunehmen. Nur so könne der Neckar näher ans Lebensgefühl rücken.

Karl-Benz-Platz

Aber nicht nur da. Auf dem benachbarten ehemaligen Pfisterer-Areal soll das Projekt „Wohnen am Fluss in Untertürkheim“ entstehen. Bereits 2015 hat die Bietigheimer Wohnbau das Gelände an der Inselstraße 140 gekauft. Das offizielle IBA-27-Projekt hat sich die Schaffung neuer Formen von Leben und Arbeiten am Neckar auf die Fahne geschrieben. Das aus den 1970er Jahren stammende Bürogebäude soll bestehen bleiben. Zusammen mit fünf weiteren Neubauten sollen auf der Neckarinsel 140 Wohnungen entstehen, in den Erdgeschossen zudem Gewerbe und soziale Einrichtungen sowie eine Kindertagesstätte unterkommen.

Visionäre Planungen gibt es im Rahmen der IBA 27 auch für den bislang als reinen Verkehrsknotenpunkt – 25 000 Autos und zwei Stadtbahnlinien – zubetonierten Karl-Benz-Platz. Der Siegerentwurf zum Thema „Stadt am Fluss – Vernetzung Untertürkheim“ sieht unter anderem einen großen Park mit direktem Zugang zum Neckarkanal vor. Eine urbane Mischbebauung könnte zudem im Bereich der heutigen Endhaltestelle der Stadtbahnlinie U 4 und dem Vorbereich des Inselbads entstehen. Voraussetzung ist aber der Erwerb des heutigen Puritas-Gebäudes und des Mercedes-Parkplatzes vor den Werkstoren, dem der Konzern andeutungsweise nicht ganz abgeneigt zu sein scheint.

Nicht zuletzt könnte so auch ein Teil des dringend benötigten Platzbedarfs der Lindenrealschule und des Wirtemberg-Gymnasiums in einem der neuen Gebäude auf dem Karl-Benz-Platz gedeckt werden. Die weiterführenden Schulen für die Oberen Neckarvororte platzen aus allen Nähten. Noch näher liegt aber das benachbarte ehemalige Kino-Bauer-Areal. „Bereits ein Teilbereich könnte uns immens weiterbringen“, betont der Rektor des Wirtemberg-Gymnasiums, Jürgen Sauter. Derzeit befindet sich die Stadt in Gesprächen mit dem Eigentümer, der Mercedes-Benz Group AG.

Bahnhofsgebäude

Als Durchgang zwischen dem Ortskern, dem Karl-Benz-Platz und den Schulen dient der Bahnhof. Doch das denkmalgeschützte Gebäude ist in einem schlechten Zustand. Zwar sind die Spielsalons im Erdgeschoss derzeit geschlossen, aber die Nutzung ruft seit Langem kontroverse Debatten hervor. Der einstige Prachtbau ist kein Aushängeschild als Eingangstor in den Ortskern.

Noch vor 20 Jahren sahen die Verantwortlichen derartige öffentliche Bauten eher als Klotz am Bein der Verwaltung, verzichteten daher auf einen Kauf. „Das hätte damals nicht passieren dürfen“, moniert OB Nopper, das soll sich nun ändern. Allerdings gestalte sich dies erfahrungsgemäß als langwieriger Prozess. Ein erstes Kaufangebot über zwei Millionen Euro – laut Stadt immerhin zehn Prozent über dem ermittelten Verkehrswert – habe der Eigentümer abgelehnt. Die Preisvorstellung liege noch meilenweit davon entfernt. Vielmehr habe er die Verwaltung gebeten, auf ihr Vorkaufsrecht zu verzichten. Doch das lehnt die Stadt kategorisch ab. Sie setzt weiter „alles daran, den Bahnhof zu erwerben“, betont Oberbürgermeister Frank Nopper. Als Impuls für die weitere Umgestaltung des Ortskerns.

Ehemaliges Postgebäude

Im Blickpunkt steht dabei vor allem das ehemalige Post-Areal. Seit Juli vergangenen Jahres hat die Post geschlossen, der Cap-Markt die Dienste übernommen. Bereits vor Jahren hat Aldi das Gebäude schräg gegenüber dem Bahnhof gekauft mit dem Ziel, dort eine Filiale zu errichten. Als Bauträger soll die SWSG fungieren und in mehreren Bauabschnitten eine neues Quartier mit der Aldi-Filiale sowie weiteren Fachgeschäften realisieren. Zudem sind Arztpraxen, eine Kita, die Räume der AOK, eine Pflegeeinrichtung, die Musikschule und Stadthäuser vorgesehen.

Der Knackpunkt bislang: Seit Jahren nutzt die Deutsche Telekom die Obergeschosse als Standort für einen wichtigen Telekommunikationsknoten. Der Vertrag mit dem Unternehmen läuft noch bis 2030. Die Suche nach einem Ausweichquartier gestaltete sich schwierig. „Inzwischen wurde aber in unmittelbarer Nähe in der Augsburger Straße ein geeigneter gefunden“, freut sich Bezirksvorsteherin Dagmar Wenzel. Allerdings ist dieser erst ab 2027 frei. Noch müssen sich die Untertürkheimer also gedulden, aber es gibt Licht am Ende des Tunnels. Zumindest soll bis dahin laut Plänen der Stadt der Leonhard-Schmidt-Platz im Vorfeld umgestaltet werden.

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