Noch trotzt die Auferstehungskirche der gewaltigen Baustelle für das Einkaufszentrum Gerber. Doch im Frühjahr soll das 134 Jahre alte Gotteshaus weichen. Foto: Michele Danze

Die Methodisten lassen keinen Stein mehr auf dem anderen: Die Auferstehungskirche soll im Frühjahr abgerissen werden, erstmals ein Gotteshaus in der Innenstadt. Auch die Evangelische und die Katholische Kirche in Stuttgart wollen überflüssige Immobilien los werden, allerdings nicht abreißen.

Stuttgart - Viele Gebäude sind bereits weg. Hinter der Auferstehungskirche gähnt die Baugrube fürs Einkaufszentrum Gerber. Das Loch scheint das evangelisch-methodistische Gotteshaus an der Sophienstraße verschlingen zu wollen. Bauzäune versperren den Zugang zur Kirche, die 1879 eingeweiht wurde und seit zwei Jahren nicht mehr genutzt wird. Die Gemeinde der Auferstehungskirche feiert in der Hoffnungskirche in der Silberburgstraße Gottesdienst. Zum Jahresbeginn wurden beide Gemeinden offiziell zusammengelegt. Im Frühjahr werden Tatsachen geschaffen: „Wir haben uns nach langen schmerzlichen Diskussionen zum Abriss der Auferstehungskirche samt Gemeindehaus durchgerungen“, sagt Pastor Helmut Rothfuß. Sie ist eine von noch acht methodistischen Kirchen in Stuttgart.

Das Totenglöckchen läutet der Auferstehungskirche, weil sie für mehr als 300.000 Euro saniert werden müsste. „Mitgliederschwund ist bei uns kein Faktor. Die Innenstadt hat seit Jahren etwa jeweils 300 Mitglieder und Anhänger. Doch wir finanzieren uns über Spenden statt Kirchensteuer. Einen so hohen Betrag kann die Gemeinde nicht aufbringen“, sagt Rothfuß und gibt das Spendenaufkommen fürs vergangene Jahr mit etwa 200.000 Euro an. Ein Betrag, der für sämtliche Aufgaben reichen müsse.

Für die beiden großen Amtskirchen in Stuttgart ist Mitgliederschwund hingegen sehr wohl ein Faktor: Die Zahl der Protestanten ist seit 2000 von 182.909 auf 160.374, die der Katholiken von 150.160 auf 142.332 im vergangenen Jahr gesunken. Weil die Gotteshäuser ebenfalls sanierungsbedürftig, die Kassen aber wegen geringerer Kirchensteuereinnahmen leer sind, will die Evangelische Gesamtkirchengemeinde bis 2030 sechs von 80 Kirchen loswerden. Zudem stehen 20 evangelische Gemeindehäuser, Jugend- und Waldheime vor dem Aus. Die Katholische Kirche will ihre 46 Gemeinden auf ein Dutzend reduzieren und prüft, welche der 60 Kirchen und wie viele andere Gebäude in Kirchenbesitz verzichtbar sind. Das Wort Abriss meiden beide Amtskirchen wie der Teufel das Weihwasser: Umnutzung lautet die Verheißung.

Schwierigkeit neue Konzepte zu finden

Geklappt hat das bei den methodistischen Kapellen in der Franz-Schubert-Straße in Botnang und der Uhlbacher Straße in Obertürkheim. Beide Gebäude wurden vor etwa zehn Jahren verkauft und zu Wohnhäusern umgebaut. Die evangelische Kirche vermietet mittlerweile als „verzichtbar“ eingestufte Kirchen: zum Beispiel die Paulus-Notkirche im Westen an die griechisch-orthodoxe Gemeinde. Die Christoph-Kirche im Norden soll zum Gotteshaus für die Bewohner eines Pflegeheims werden. Zur Disposition stehen Föhrich- und Lutherkirche in Feuerbach.

In Botnang wurde vor kurzem die neuapostolische Kirche im Brahmsweg für ein Wohnhaus abgerissen. Und nur durch ein Wunder können wohl die evangelische Nikodemus- und die katholische Christus-Erlöser-Kirche dort vor dem gleichen Schicksal gerettet werden. „Bei uns gibt es zwei evangelische und katholische Kirchen. Das ist je eine zu viel, und eine Umnutzung schwierig“, so Bezirksvorsteher Wolfgang Stierle. Das katholischen Stadtdekanat bestätigt, dass Abriss „nicht undenkbar“ ist.

Wie schwer neue Konzepte zu finden sind, erlebt derzeit Albrecht Hoch, Pfarrer an der Berger Kirche. Weil die Turmsanierung 700.000 Euro kosten würde, steht sie ebenfalls auf der roten Liste. Seit über einem Jahr denken der evangelische Pfarrer und die Gemeinde über eine neue Nutzung nach. Neuester Ansatz ist, ein Kolumbarium, eine Wand mit Nischen für Urnen, in der Kirche einzurichten. „Würde das hinhauen, könnte der Turm saniert werden“, ist Hoch überzeugt und träumt von Erfurter Verhältnissen. Dort wurden in der katholischen Allerheiligenkirche 630 Urnengräber für Christen und Nichtchristen erstellt und binnen kurzer Zeit für je rund 1000 Euro verkauft.

Träumen von neuen Konzepten hat sich die evangelisch-methodistische Kirche in Stuttgart nicht hingegeben. „Zu den Sanierungskosten hätten sich ja noch gigantische Summen für den Umbau addiert“, ist Rothfuß überzeugt. Die einzige Idee habe ein Club-Inhaber von der Theodor-Heuss-Straße gehabt: Der wollte eine Diskothek in der Auferstehungskirche einrichten. Dagegen hatte die Gemeinde laut Rothfuß Bedenken. Die Kritik von Bürgern sowie Denkmalschützern am Abriss kennt er: „Ich höre immer wieder, wie prägend das Gebäude fürs Stadtbild ist. Aber wir brauchen das Geld statt für die Sanierung für die Arbeit mit und am Menschen. Denn die machen eine Kirche aus“, sagt er. Dass die Württembergische Versicherung als Investor des Gerber wohl deutlich mehr für das 1580 Quadratmeter große Gelände bezahlt als die dort üblichen Preise, mag der Gemeinde die schmerzhafte Entscheidung erleichtert haben.