Lisa Kuen (Patricia Aulitzky) und Yusuf-Demir (Dominik Raneburger, li.) ermitteln in Kuens Tiroler Heimatdorf. Foto: ZDF/Laab Heinz

In der „Landkrimi“-Folge „Das Mädchen aus dem Bergsee“ im ZDF muss eine Polizistin an sehr Privates heran. Sie pfeift aber auf ihre Befangenheit.

Stuttgart - Es ist schon eine schöne Gegend rings um diesen Bergsee in Tirol: klare Luft, adrette Landschaft, selige Ruhe. Nur die Frauenleiche stört ein bisschen, die da aus dem See gezogen wird. Aber die verschwindet auch wieder, denken sich die Einheimischen, die Polizei nimmt die mit, dann ist wieder Ruhe. Da sagen wir mal gar nix, beschließt man, dann geht das am schnellsten vorbei.

Man sagt ja überhaupt gerne mal nichts in „Das Mädchen aus dem Bergsee“, der neuesten Folge der österreichischen Reihe „Landkrimi“, jedenfalls nichts Wesentliches. Wenn eine brave Kirchgängerin besinnungslos besoffen daheim herumliegt, offenbar nicht zum ersten Mal, dann „geht’s der Mama heute nicht so gut“, wie man allenfalls zugibt. Die Tochter allerdings, die Kriminalbeamtin Lisa Kuen (Patricia Aulitzky) aus Innsbruck, benennt offen den Totalabsturz. Sie hat das Schweigen, Ausweichen, Lügen satt. Aber sie kennt es ja von früher, sie ist hier aufgewachsen.

Eigentlich hat „Das Mädchen aus dem Bergsee“ also alle Chancen, ein Musterbeispiel dieser Reihe zu werden. Auch wenn der ORF dabei nicht mit der ARD, sondern mit dem ZDF zusammenarbeitet, der „Landkrimi“ mit seinen verschiedenen Teams ist ein ausbaufähiges Gegenstück zum „Tatort“, nur eben nicht auf Großstädte fixiert, sondern auf ländliche Gegenden.

Verbohrt und gereizt

Idealerweise geht es nicht um einen Urlaubsbilderrahmen für die Ermittlung, sondern um die Eigenarten der Provinz, die Unterschiede zum Stadtleben, die Veränderungsprozesse und Reibungen in Gemeinschaften, die längst nicht mehr homogen sind.

Aber dieser Krimi verschenkt sein Potenzial ein wenig. Die Regisseurin Mirjam Unger („Vorstadtweiber“) geht sehr gemütlich zu Werke, die brave Inszenierung steht in eigenartigem Gegensatz zur Gereiztheit und manchmal auch Verbohrtheit der Ermittlerin Kuen. Die Tote aus dem See, ist bald klar, hat als Prostituierte in der Stadt gearbeitet, und als die Obduktion ergibt, dass sie erwürgt wurde, steht bald der Freund (Fabian Schiffkorn), unter Verdacht. Ein ziemlich gewalttätiger Kerl sei der, deutet eine vermeintlich eingeschüchterte Kollegin der Toten an, und flüchtig ist er jetzt ja auch. Einfache Polizeilogik: nichts wie hinterher.

Regelwidrig im Einsatz

Natürlich kompliziert das Drehbuch von Eva Testor, die bei dieser Folge auch die Kamera geführt hat, den Fall schleunigst. Zeugen lügen, die Beziehungsgeflechte sind komplizierter, als sie auf den ersten Blick erscheinen, und die Polizistin Kuen kann nicht verdrängen, dass aus diesem See vor Jahren schon eine andere Leiche gezogen wurde, die ihrer halbwüchsigen Schwester. Daraus wird nun mehr und mehr ein Fall von Befangenheit, ähnlich wie im jüngsten „Tatort“-Fall aus Nürnberg, „Wo ist Mike?“, in dem die Ermittlerin ebenfalls Spuren ins eigene enge Umfeld fand.

Hier wie dort arbeiten die Polizistinnen regelwidrig weiter. In „Das Mädchen aus dem Bergsee“ wird das Fehlverhalten aber wenigstens thematisiert. Auch Kuens Stress mit ihrem Kollegen Yusuf-Demir (Dominik Raneburger) ist sauber motiviert, der fühlt sich von seiner Vorgesetzten beiseite geschultert. Doch obwohl hier so viel Stoff vorhanden ist, wird der eher kurz gezeigt als konsequent genutzt. Am 31. Mai gibt es aber schon den nächsten „Landkrimi“, die Folge „Waidmannsdank“ spielt dann in Kärnten.

ZDF, Mittwoch, 26. Mai 2021, 20.15 Uhr. Bereits online in der ZDF-Mediathek abrufbar – bis 24. August 2021.