Der Gastro-Bereich der Wagenhallen nach dem Umbau. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

OB Fritz Kuhn eröffnet die Wagenhallen nach der Generalsanierung mit 300 geladenen Gästen neu. Ab dem 26. Oktober können dann wieder alle an der neuen Kulturmeile feiern.

Stuttgart - Ach, wie schnell und praktisch jetzt alles geht! Die Augen von Stefan Mellmann leuchten, wenn er über den Fortschritt in dem 1895 erbauten Gebäude spricht. Der Geschäftsführer der Wagenhallen, der Anfang der Nullerjahre als Künstler zum Nordbahnhof kam, zeigt nach oben. „Früher mussten wir von außen aufs Dach steigen, um die Oberlichter zu verdunkeln“, sagt er. Heute reicht ein Knopfdruck. In zehn Sekunden ziehen sich die Jalousien zu, und es herrscht Finsternis – optimal für Events, die vorm Sonnenuntergang beginnen und für Tourproduzenten, die das Licht eines Konzerts am Nachmittag einstellen wollen.

Bessere Bühnentechnik, bessere Heizung, bessere Belüftung, bessere Schall- und Trennwände – die neuen Möglichkeiten in dem für 30 Millionen Euro generalsanierten und brandschutzgerecht umgebauten Kultur-Magneten begeistern die Macher. Gleichzeitig durfte es bei aller Perfektion nicht zu perfekt werden.

„Vom Banker bis zum Punker – hier trifft sich alles“

Vom Charme ist immer wieder die Rede, wenn es um die Wagenhallen geht. Der Charme muss alt bleiben. Die Decken sind also weiterhin unverputzt, Rohre hängen sichtbar frei, die Mauersteine erinnern an die Historie dieses über mehrere Generationen für Eisenbahner wichtigen Ort. Am Freitag haben OB Fritz Kuhn (Grüne) und 300 geladenen Gästen, darunter die Größen der heimischen Kulturszene, vom Ballettintendanten Tamas Detrich bis zur Theaterhausgründerin Gudrun Schretzmeier, den Neustart gefeiert. Kuhn durchschnitt ein Band. Nur begeisterte Stimmen waren zu hören. Landtagspräsidentin Muhterem Aras lobte „die gelungene Mischung aus alt und neu“. Ein nach den Plänen von Architekt Uwe R. Brückner umgebauter Wohlfühlort kehrt zurück. Größer ist er geworden. Bei Konzerten gibt es nun Platz für bis zu 2100 Besucher statt wie bisher für 700. Die Faltwände sind so gut lärmgeschützt, dass verschiedene Veranstaltungen gleichzeitig stattfinden können. Mützenträger Mellmann verweist aufs alte Motto, das für die Zukunft gelte: „Vom Banker bis zum Punker – hier trifft sich alles.“

Und doch zieht der Geschäftsführer eines der reizvollsten Kulturbetriebe der Stadt eine Grenze: „An Rechtsextreme vermieten wir die Räume nicht.“ Dagegen könnten Heino und Hannelore auftreten. Die örtlichen Konzertveranstalter freuen sich über die neue Spielstätte. Für etwa 2000 Besucher gibt es in Stuttgart seit dem Wegfall der Röhre und anderen Bühnen nur wenig Alternativen. Der Auftritt von Feine Sahne Fischfilet am 24. November, von Chimperator organisiert, ist ausverkauft. SKS Russ bringt am 2. November die 1967 gegründete Band Barclay James Harvest in den neuen Veranstaltungssaal. Am 10. und 11. November richtet die Weinhandlung Kreis die Messe Perspektive Wein im sanierten Stolz von OB Kuhn aus.

2019 sollen die Künstler zurück in die Wagenhallen-Ateliers ziehen

Entsteht im Stuttgarter Norden eine neue Kulturmeile? Von der Idee aus dem Rathaus, die Interimsoper in ihrer unmittelbarer Nachbarschaft zu bauen, sind die Macher der Wagenhallen überrascht worden. „Wir haben aus der Zeitung davon erfahren“, sagt Benny Ulmer, der fürs Programm zuständig ist, „es ging sofort in unserer WhatsApp-Gruppe rum.“ In Begeisterung bricht man bei den Leuten des schon lange nicht mehr alternativen Subkulturtreffs nicht aus. Aber Stefan Mellmann sagt doch: „Uns ist es lieber, hier wird eine Oper gebaut, als dass man uns 20 Einfamilienhäuser vor die Nase setzt.“

Vielleicht könnten eines Tages Opernbesucher nach der Vorstellung die Gastronomie der Wagenhallen besuchen. Neun Köche arbeiten im früheren Wartungshof der Bahn, insgesamt gibt es etwa 30 Festangestellte. Zunächst soll die Küche „eventgerecht“ geöffnet werden. An einen Biergarten „mit Lagerfeuer“ ist gedacht. Doch über die genauen Pläne sei noch nicht entschieden. Fest steht dagegen, wann nach der Eröffnung für die Stadt- und Kulturprominenz die gesamte Bevölkerung den Umbau feiern können. Zur Stuttgart-Nacht an diesem Samstag hat es noch nicht gereicht.

Unter dem Motto „Frisch für euch“ geht es vom Freitag, 26. Oktober, bis Sonntag, 28. Oktober, im Kulturschutzgebiet am Nordbahnhof bei freiem Eintritt rund. Noch nicht fertig sind die Ateliers der Künstler, die in der Zwischenzeit unter anderem in Container untergekommen sind. Sie sollen, wenn alles nach Plan läuft, 2019 zurück in die Wagenhallen ziehen.