Das Streichquartett lebt! Das Danish String Quartet, das Chiaroscuro Quartet und das Quatuor Modigliani beweisen es auf sehr unterschiedliche Weise.
Stuttgart - Beethoven strahlt. Und er strahlt aus: Die Verbindung seiner späten Streichquartette zur musikalischen Vergangenheit und Zukunft sind das Thema der „Prism“-Reihe mit dem Danish String Quartet. Das Ensemble, das sich selbst als „eine Art Boygroup, aber nicht mehr ganz so jung“ beschreibt, bietet auf der dritten CD seiner fünfteiligen Serie so vielfältige und ausgearbeitete Verweise zwischen Tradition (hier einer Bearbeitung der cis-Moll-Fuge aus dem ersten Band von Bachs „Wohltemperiertem Klavier“) und Moderne (hier Béla Bartóks erstem Streichquartett) sind so vielfältig und so ausgearbeitet, dass man Bachs harmonische und melodische Wagnisse mit Zukunftsohren hört. Der Rahmen: hier Beethovens op. 131, eingeleitet von einer cis-Moll-Fuge, gespielt mit packender Dringlichkeit und einem sonoren, erdigen Klang – dort Bachs Fuge, ebenfalls in cis-Moll. Dazwischen Bartóks Quartett-Erstling: Beim Lento-Beginn, den der Komponist selbst als „Begräbnisgesang“ beschrieb, denkt man zurück an Beethovens Adagio zuvor, das (laut Richard Wagner) „Schwermütigste, was je in Tönen ausgesagt worden ist“. Hier wie dort lauter Widerstände, Kontraste und Fugen, gespielt mit großer Klarheit und mit einer überzeugenden Mischung aus Freiheit und Kontrolle: streng und doch hochexpressiv.
Ein Quartett, das sich nach dem Chiaroscuro, also nach der von starken Gegensätzen geprägten Hell-Dunkel-Malerei der Spätrenaissance und des Barocks, benennt, muss dafür musizierend Argumente liefern, und das tun die drei Frauen an Violinen und Bratsche und der Mann am Cello auf das Lebendigste. Wobei die Quartette Joseph Haydns, denen sie hier schon die vierte CD widmen, dafür eine ideale Basis liefern. So wie die Primaria Alina Ibragimova, die mancher von ihrer fantastischen Einspielung sämtlicher Violinsonaten Mozarts (mit Cédric Tiberghien) her kennen mag, liegen allen Musikern kraftvolle Passagen ebenso in den Fingern wie eine Zartheit, die bis ins Zerbrechliche gehen kann. Die dichte motivische Arbeit gewinnt oft fast symphonische Dimensionen.
Das Chiaroscuro Quartet spielt auf historischen Instrumenten
Den größten Unterschied jedoch machen die historischen Instrumente, denn sie erweitern maßgeblich das Farb- und Ausdrucksspektrum. So wie das Chiaroscuro Quartet zu Beginn von Haydns „Sonnenaufgang“-Quartett die Klangfarben bis hin zu feinen Nuancen fahle Pianissimo-Abtönungen auffächert, wie es mit dem An- und Abschwellen spielt und wie es in den sehr frei genommenen langsamen Sätzen, vor allem im fast rhapsodischen Singen der ersten Violine in der Adagio-Fantasia des sechsten Quartetts die Grenzen der Klassik weit hinter sich lässt: Das raubt einem den Atem.
Auch die vier Herren des Quatuor Modigliani spielen Bartók (hier das dritte Quartett), aber sie tun das weniger individuell und temperamentvoll, dafür auf sehr französische Art: elegant, durchgestylt im Klang wie in der Balance und Gewichtung der Einzelstimmen. Eine phänomenale Ensemblekultur – ausgefeilter kann ein Streichquartettklang nicht sein, und schöner kann das Radikale nicht klingen. Die Einleitung von Mozarts „Dissonanzen-Quartett“ klingt sehr direkt, lebt von satten Farben und durchdachter Kalkulation. Wer sich bei diesem Quartett ein Quäntchen mehr Spontaneität und Loslassen wünscht, mäkelt auf höchstem Niveau.
Prism III: Beethoven, op. 131, Bartók, Streichquartett Nr. 1, Bach, Fuge cis-Moll. Danish String Quartet. ECM/Universal
Haydn, Quinten-Quartett, Bartók, Streichquartett Nr. 3, Mozart, Dissonanzen-Quartett. Quatuor Modigliani. Mirare/Naxos
Haydn, Streichquartette op. 76 Nr. 4-6. Chiaroscuro Quartet. BIS/Naxos