Die neue Kabelbrücke, die mit Leerrohren gefüllt ist, schwebt auf die auf dem Neckar liegenden Pontons Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Ein außergewöhnliches Schauspiel auf dem Neckar: Ein Pontonverbund transportierte in der Nacht von Samstag auf Sonntag eine 90 Meter lange und 35 Tonnen schwere Kabelbrücke vom Berger Steg zur Gaisburger Brücke.

Stuttgart - Als sich die Schwerlastkräne in Bewegung setzen, dämmert es bereits über dem Neckarpark. Auf dem Cannstatter Wasen dröhnt die Zirkusmusik des Weltweihnachtscircus aus dem Zelt, auf der anderen Neckarseite sieht man im hell erleuchteten Außenbecken des Mineralbads Schwimmer ihre Bahnen ziehen. Am Rande des Wasens, nahe des Berger Stegs, spielt sich derweil etwas nicht Alltägliches ab. Knapp eine Stunde hat gut ein Dutzend Schaulustiger auf dem Fahrradweg ausgeharrt, um mitzuerleben, wie eine 35 Tonnen schwere Kabelbrücke auf einen Pontonverbund im Neckar verladen wird.

Auch Harald Hauser ist gekommen. Er leitet das Regionalzentrum Stuttgart der Netze BW. Ihm ist anzumerken, dass etwas Besonderes ansteht. Das Außergewöhnliche, so Hauser, sei der Transport auf dem Tragewerk. „Dass so etwas in Stuttgart überhaupt schon mal vorgekommen ist, glaube ich nicht. Das ist mir als Stuttgarter jedenfalls nicht in Erinnerung“, kommentiert Hauser den Transport der Brücke, der für den späten Abend geplant ist.

Bis zum Frühjahr wird die Kabelverlegung dauern

Die Kabelbrücke soll den gestiegenen Strombedarf im Bereich des Neckarparks, des Daimler-Areals, der Veranstaltungshallen und der geplanten Wohnquartiere sicherstellen. Die Schächte der Straßenbrücke boten nicht mehr genügend Platz für zusätzliche Leitungen. Eine Alternative musste her. „Eine Unterquerung des Neckars kam wegen des sensiblen Untergrunds nicht infrage“, so Harald Hauser. Also fiel die Entscheidung für die Kabelbrücke. Sie ist das Herzstück eines Gesamtprojekts, das auch unterirdische Leitungen vom im Bau befindlichen Umspannwerk in der Talstraße bis zur Mercedesstraße umfasst. Bis zum Frühjahr wird es dauern, bis die Kabelverlegungen im Uferbereich und auf der Brücke abgeschlossen sind.

Nach gut einer halben Stunde neugierigen Wartens sperrt ein Mitarbeiter des Montageunternehmens den Abschnitt des Fahrradwegs ab. Die Zuschauer versammeln sich nun auf dem Berger Steg, um das Schauspiel aus ungefährlicher Distanz zu beobachten. Kurz vor fünf – gerade fährt einer der letzten Frachter des regulären Schiffsverkehrs vorbei – setzen sich die riesigen roten Schwerlastkräne schließlich in Bewegung. In Zeitlupengeschwindigkeit ziehen sie die 90 Meter lange Stahlbrücke empor, heben sie über die Kronen der am Fahrradweg stehenden Bäume hinweg und setzen sie schließlich behutsam auf den Verbund der drei Pontons im Neckar ab. Zwanzig Minuten hat die Aktion gedauert. Mittlerweile ist der Himmel über Stuttgart schwarz, Strahler sind auf die Pontons gerichtet.

Einen Kilometer flussabwärts muss die Brücke reisen

Um 21.40 Uhr setzt sich der Verbund in Bewegung. Einen Kilometer flussaufwärts geht es, Richtung Gaisburger Brücke, dem Bestimmungsort der Kabelbrücke. Eine Dreiviertelstunde später dreht der Pontonverbund die Brücke langsam in ihre Endposition und lässt sie auf die bereits errichteten Fundamente ab. Am frühen Sonntagmorgen um 2.09 Uhr vermeldet der Live-Ticker der Netze BW: „Die Brücke hat ihren Standort erreicht.“ Noch steht sie auf dem Tragwerk, und muss mit der Gaisburger Brücke verbunden werden. Spätestens bis 17 Uhr muss es entfernt werden. Denn dann beginnt der reguläre Schiffsverkehr auf dem Neckar.