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Sie wollen, dass "der alltäglichen und zum guten Ton gewordenen Diskriminierung von Männern und Jungen Einhalt geboten wird". Sie wollen eine "Befreiung des Mannes".

Berlin - Sie wollen, dass "der alltäglichen und zum guten Ton gewordenen Diskriminierung von Männern und Jungen Einhalt geboten wird". Sie wollen eine "Befreiung des Mannes - ohne feministische Rollenzuweisung". Und sie wollen "eine furchtlose, nicht verbissene Männerpolitik".

Das sind einige Ziele von "Agens", einer "Arbeitsgemeinschaft zur Verwirklichung der Geschlechter-Demokratie". Die hat sich jetzt in Berlin vorgestellt. Das klingt so sehr dem allgemeinen Trend entgegengesetzt, dass man geneigt sein könnte, das Ganze als seltsam exotische Zeitgeistblüte abzutun. So aber ist das alles keineswegs gemeint. Den Mann im Manne wieder zu wecken ist der Initiative ein sehr ernstes Anliegen, zu dem sich unter anderen eine Reihe hochkarätiger Wissenschaftler zusammengefunden haben, darunter der Jugendforscher Klaus Hurrelmann und der Soziologe Gerhard Amendt. Allen ist ein Anliegen gemein: Sie sehen Männer inzwischen in vielen Lebensbereichen benachteiligt.

Hurrelmann sieht die Zeit für einen "Notruf" gekommen. Jungs und junge Männer haben es, glaubt Hurrelmann, im Bildungssystem viel schwerer. Was sich besonders in Grundschulen oder noch früher in Kindertagesstätten zeige. Beide sind von weiblichen Pädagogen dominiert, und das habe Konsequenzen. "Die Feminisierung der Bildungskultur mit Harmonie und sanften Formen der Gruppendynamik" lasse für jungstypische Verhaltensmuster keinen Raum. Hier sieht Hurrelmann ein "echtes gesellschaftliches Gerechtigkeitsproblem". Daraus zieht der Wissenschaftler auch unerwartet rigorose Konsequenzen: Man brauche eine gezielte "Jungs- und Männerförderung bis hin zu Männerquoten in bestimmten Berufen".

Hurrelmanns Thesen sind ungewöhnlich, allerdings so empirisch untermauert, dass sie nicht den Stoff zu allzu hitzigen Geschlechterdebatten liefern werden. Das gilt nicht für alle Sichtweisen innerhalb dieser neuen Männerbewegung. Gerhardt Amendt zum Beispiel fordert ein Eingestehen, "dass das jeweils andere Geschlecht je eigene Dinge eben besser machen kann". Und was? Amendt hält es für "keinen Zufall", dass Männer die großen Entdecker und Erfinder gewesen seien. Weil sie "Aggression in Entdeckerfreude umwandeln können", und dieses Potenzial dürfe eine Gesellschaft nicht zerstören.

Erstaunlicherweise sind auch Frauen bei "Agens" sehr engagiert. Die Diplompsychologin Beate Kricheldorf thematisiert das Thema "häusliche Gewalt". Das übliche Bild, wonach Männer immer die Täter, Frauen stets die Opfer sind, hält sie für dringend korrekturbedürftig. Es entspreche "schlicht nicht der Realität". Tatsächlich zeigten Studien, dass in der Hälfte der Fälle häuslicher Gewalt diese wechselseitig geschehe. Die andere Hälfte bilden gleich zahlreiche Fälle männlicher oder weiblicher Gewalt. Zudem aber sei "Gewalt gegen Kinder und gegen Alte" kein öffentliches Thema, die aber sei oft weiblich. "Frauen sind jedoch als Täter ein Tabu."

Die größte Sprengkraft dürften allerdings die "Agens"-Thesen zur offiziellen Frauenförderung haben. Dazu gehört auch die angebliche Legende, von der finanziellen Benachteiligung von Frauen im Berufsleben. "Wenn beispielsweise Frauen aufgrund ihrer eigenen beruflichen Entscheidung weniger als Männer verdienen oder weniger hoch aufsteigen, ist dies schlicht eine Folge eigenständiger Entscheidungen der betroffenen Frauen und nicht als Diskriminierung durch die Männer" zu sehen.

So heißt es im "Mann-ifest" der Gruppe. Das sieht nicht jeder in der Initiative so, aber ganz gewiss die Autorin und Therapeutin Astrid von Friesen. Sie verweist auf 1000 offene Grundschulleiter-Stellen. Bei 85 Prozent weiblicher Grundschul-Lehrer kommt sie deshalb zu dem Schluss: "Die Frauen machen das eben nicht, weil sie dazu keine Lust haben."

"Agens" hat große Pläne. Vorsitzender Eckhard Kuhla kündigte für 2011 ein Männer-Symposion mit 2000 Teilnehmern an. Man möchte als "Wadlbeißer" in Sachen Männerrechte auftreten, eine Buchreihe zur Männerforschung auflegen und "Verfassungsklagen einreichen", wenn die Männer aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt werden. In diesem Zusammenhang habe das Frauenministerium bereits eine "Abmahnung" erhalten. "Agens" will einen anderen Namen für das Ressorts, der nicht einseitig auf das weibliche Geschlecht Bezug nimmt.

Auf stur stellt die Bundesregierung nicht. "Wir wollen eine eigenständige Jungen- und Männerpolitik entwickeln", heißt es immerhin im Koalitionsvertrag. "Da", sagt Kuhla, "fühlen wir uns angesprochen."