Die Stadt Korntal-Münchingen hat die neuen Hebesätze für die Grundsteuer festgezurrt. Für etliche Haushalte werden die finanziellen Auswirkungen deutlich spürbar sein.
Der Grundsteuerbescheid fürs nächste Jahr schockt manche Besitzer von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Grundstückseigentümer. Freuen werden sich Besitzer und besonders Mieter von Wohnungen. Auch für Gewerbegrundstücke ist eher eine Entlastung zu erwarten.
Korntal-Münchingen hat die neuen Hebesätze für die Gewerbesteuer wie auch die Grundsteuer festgezurrt. Lag der Hebesatz für die Grundsteuer B, die bei privaten und gewerblichen Grundstücken anfällt, bislang bei 390 Prozent, beträgt er künftig noch 165. Das Votum war einstimmig. Dennoch sparen weder die Stadt noch der Gemeinderat mit Kritik. Mit einer Ausnahme.
Die Belastungsverschiebungen bei der Grundsteuer „sind so gewollt“
„Generell bietet die Grundsteuerreform für die Stadt keinerlei Mehrwert – sondern viel Aufwand“, heißt es aus dem Rathaus. Unter anderem sollen die neuen Hebesätze für die Stadt aufkommensneutral bleiben. Sie nimmt unterm Strich also nicht mehr Geld ein als zuvor. Auf die Belastungsverschiebungen einzelner Steuerpflichtiger habe sie weder Einfluss noch Handhabe. „Die Kommune darf nur einen Hebesatz pro Steuerart erheben.“ Die Verschiebungen seien vom Gesetzesgeber „so gewollt“.
Die Reform ist nötig, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Bewertungsrichtlinien für die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt hat: Gleichwertige Grundstücke wurden unterschiedlich behandelt. „Der Gesetzgeber kippte die alte Grundsteuerberechnung mit der Begründung von Ungerechtigkeit – die gibt es aber nach wie vor. Nur trifft es jetzt andere“, meint die Vorsitzende der Freien Wähler, Marianne Neuffer. Die Berechnungsgrundlage für die Grundsteuer B ist in Baden-Württemberg jetzt bloß noch der Bodenrichtwert. Das vom Land gewählte Modell berücksichtigt nicht, was auf den Grundstücken steht. „Es zählt nur die Fläche“, stellt Marianne Neuffer fest. Größe und Wert der Gebäude sind irrelevant.
Das sind die Gewinner und Verlierer der Grundsteuerreform
Rechenbeispiele der Stadtverwaltung zeigen die Folgen. So steigt die Grundsteuer für ein Zweifamilienhaus auf 1630 Quadratmetern Fläche von 406 auf 3197 Euro. Bei einem Einfamilienhaus auf 610 Quadratmetern Fläche erhöht sie sich von 823 auf 1196 Euro, bei einem unbebauten Grundstück mit einer Größe von 900 Quadratmetern von 116 auf 536 Euro.
Wer dagegen auf 108 Quadratmetern ein Reihenmittelhaus hat, spart 165 Euro: Die Grundsteuer sinkt auf 120 Euro. Für Besitzer einer Eigentumswohnung wird es um 90 bis 120 Euro günstiger. Enorm profitiert ein Betrieb auf einem Geschäftsgrundstück von 6200 Quadratmetern Größe: Er zahlt noch 3766 Euro – 4447 Euro weniger als bisher.
Das sagen die Gemeinderäte zur Grundsteuerreform
Für den FDP-Fraktionschef ist die Reform ein „unfairer Angriff auf die Gartenstadt“. Die Orientierung allein am Bodenwert beschere eine einseitige Vermögenssteuer, sagt Peter Ott. Seiner Ansicht nach sollte man ökologisch wertvolle, größere Grundstücke mit viel Grün und oftmals Obstbäumen fördern. „Bei uns werden sie besteuert.“ Der „ideologisch geprägte Sonderweg von Grün-Schwarz“ sei „sozial unausgewogen“.
Geht es nach Albrecht Gaiser (Grüne), muss man den Blick auf die Verlierer richten. Gerade in einer Gartenstadt gebe es viele ältere Besitzer, die mit einer bis zu fünffachen Erhöhung in finanzielle Schwierigkeiten geraten würden. „Hier gilt es, sozial verträgliche Lösungen zu finden, die Abhilfe schaffen.“ Insgesamt sei eine Reform der Grundsteuer nach 1964 längst überfällig.
Die SPD-Fraktion sieht alles anders
Renate Haffner bewertet die Situation anders. Die SPD-Fraktionschefin sieht in der Umverteilung „unter sozialen Aspekten“ Chancen, spricht von mehr Gerechtigkeit. Die neue Gesetzgebung könnte zu einem Impuls führen, wenig genutztes Wohneigentum wieder intensiver zu nutzen, so Haffner. „Langfristig könnte die Reform dazu beitragen, knappen Wohnraum effizienter zu nutzen und mehr Menschen den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum zu ermöglichen.“
Auch wenn die Bevölkerung in der Summe nicht stärker belastet wird als bisher: Anlass für Illusionen besteht nicht, findet der CDU-Fraktionschef Oliver Nauth. „Korntal-Münchingen wird auf absehbare Zeit kaum einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen können.“ Sparen sei nötig, aber nur schwer zu vermitteln. Die CDU-Fraktion rechne mit einer Initiative der Stadtverwaltung zur Erhöhung der Hebesätze. „Einer solchen Entwicklung sehen wir sehr kritisch entgegen.“
Wichtige Einnahmequellen für die Stadt
Grund- und Gewerbesteuer sind für die Stadt wichtige Einnahmequellen. Dieses Jahr kalkuliert sie mit rund 3,8 beziehungsweise 17,4 Millionen Euro. Der Hebesatz für die Grundsteuer A für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe steigt von 330 auf 951 Prozent. Die Gewerbesteuer bleibt unverändert bei 370 Prozent.