Diesen Anblick des erleuchteten Schlossplatzes im feiernden Stuttgart wird es im August nicht mehr geben. Foto: Lichtgut/L/Piechowski

Stuttgart feiert sehr gern – und meist sehr gut! Seit 1991 hat das Sommerfest die Massen ins schicke Ambiente der weißen Zelte gelockt. Die beliebte Open-Air-Party wird nun viel kleiner und wechselt den Standort. Das neue Konzept ist bei den Wirten umstritten.

Nicht nur an Corona lag’s, dass das Stuttgarter Sommerfest, zu dem fast alle „Stadtfest“ sagen, im vergangenen August für viele sehr überraschend abgesagt worden ist. Dass es auch anders ging, bewiesen die Festkollegen: Von den Jazz Open bis zum Weindorf – die anderen Klassiker meldeten sich mit viel Begeisterung und einem Ansturm des Publikums zurück. Für die 1991 begründete Open-Air-Party vor der traumhaften Kulisse des Neuen Schlosses und rund um den Eckensee, die mal mit Palmen und Pagodenzelten als die beliebteste Feier der Stadt galt, zog hingegen die Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart den Stecker. Man versprach, ein neues Konzept für einen neuen Standort „in Richtung Marktplatz“ zu erarbeiten.

Das neue Zauberwort lautet: Genuss!

Lange hat man nichts von den Plänen für den Neustart gehört, den die Macher für notwendig halten, weil, so argumentierten sie, ein Sponsor abgesprungen war und der Personalmangel das Sommerfest gefährdete. Die Zahl der Gastronomen, die noch dabei sein wollten, war im vergangenen August von 28 auf 18 gesunken. Das Aus rief bei den einen Enttäuschung hervor, andere wiederum meinten, ein neues Stadtfest sei eine Chance, die City zu beleben.

Das neue Zauberwort lautet nun: Genuss! Zum Genießen sollen sich die weißen Zelte – bei dieser Optik bleibt es – vom Eckensee und dem Schlossplatz, also von den Flächen, die dem Land gehören, hin zur Markthalle bewegen, die in der Betreuung der Stadt liegen. Da Breuninger ein fester Partner werden soll, wird sich das Fest auch im Dorotheen-Quartier ausbreiten. Zum Marktplatz aber reicht es nicht, wie im vergangenen Jahr angekündigt – noch nicht. „Wir wollen klein anfangen und das neue Fest dann wachsen lassen“, sagt Andreas Kroll, der Geschäftsführer von in.Stuttgart, unserer Redaktion. Der Arbeitstitel lautet: „Genusstage“. Noch ist nicht endgültig entschieden, ob es bei diesem Namen bleibt.

Viel Zeit bleibt nicht. Am Termin Anfang August hält man fest. Die bisherigen Sommerfest-Gastronomen wurden angeschrieben, ob sie beim neuen Konzept mitmachen wollten und was sie anbieten könnten an kulinarischen Besonderheiten. Pommes und Rote sollen nicht dabei sein. Auch die Beschicker der Markthalle sind fest dabei. Der 1914 eröffnete Jugendstilbau mit einer Konstruktion aus Stahlbetonträgern und einer von einem Glasdach überspannten Halle steht unter Denkmalschutz und ist ein echtes Schmuckstück der Stadt. Mit den Genusstagen soll Stuttgarts Stolz herausgestellt werden. Auch ein kleines Kulturprogramm ist geplant. Da sowohl die Markthalle als auch Breuninger sonntags geschlossen haben, wird das Fest „nur“ von Donnerstag bis Samstag stattfinden.

Ein Gefühl wie im Urlaub

Die tollen Konzerte auf den Treppen des Opernhauses, der nachts illuminierte Eckensee, um den man schlenderte, als sei man in Urlaub – alles ist nun Vergangenheit. Das stolze Sommerfest, bisher in einer XXL-Größe für die gesamte Region anziehend, wird zu einem S-Festle Marke „klein, aber oho“. Nicht mehr zeitgemäß sei die einst von dem kürzlich verstorbenen Lothar Breitkreuz erfundene Feier gewesen. Immer mehr Gastronomen seien abgesprungen, weshalb das Niveau von Jahr zu Jahr nachgelassen habe, wie Kroll betont. Die explodieren Kosten hätten dazu beitragen, dass sich, wenn es nur an einem Tag regnet, das Geschäft für viele nicht mehr lohne.

Was sagen die Wirte dazu?

Die Meinungen über das neue Konzept gehen bei den bisherigen Gastronomen weit auseinander. Michael Wilhelmer, der mit gleich drei Standplätzen quasi der Platzhirsch des Sommerfests vor den Stufen des Opernhauses war, glaubt nicht an den Erfolg der Genusstage im kleinen Rahmen. „Man kann nicht die Standgebühren verlangen wie auf dem großen Platz früher und dann ein Fest veranstalten, das nur einen Bruchteil der früheren Besucherzahlen anlockt“, sagt er. Wilhelmer hat deshalb in.Stuttgart eine Absage erteilt. „Unter diesen Bedingungen mach ich nicht mehr mit“, erklärt der Wirt.

Dagegen ist Wirtin Conny Weitmann voll des Lobes. „Es kommt nicht immer auf die Größe an“, sagt sie, „es ist schön, wenn sich etwas Neues entwickelt.“ Sie werde mit spanischen Köstlichkeiten dabei sein, bittet aber die Veranstalter, rasch in die Gänge zu kommen. Bisher sind noch keine Verträge unterschrieben. „Wir können nicht länger warten, weil es sonst keine Pagodenzelte mehr gibt, die wir mieten müssen und die weiterhin verlangt werden“, erklärt Conny Weitmann. Ihre Standmiete beträgt 3000 Euro, dazu kommt Strom. „Wenn es durchregnet, wird’s ein Minusgeschäft“, sagt die Wirtin, „aber es ist auch wichtig, wieder Flagge zu zeigen.“